: Liebe war es nicht
Die Stadt, der Neid und das Los: Dem Holocaust-Überlebenden und Unternehmer Ivar Buterfas ist in Hamburg eine bemerkenswerte Karriere gelungen. Die Affäre um eine Tombola brachte ihn zu Fall
Von Kristina Allgöwer
Bis vor einer Woche war Ivar Buterfas ein angesehener Mann in Hamburg. Die Autobiografie des Holocaust-Überlebenden ist Lektüre in den Schulen. Er hat das Bundesverdienstkreuz und den Weltfriedenspreis erhalten, engagiert sich für eine Gedenkstätte im KZ-Auffanglager Sandbostel und seit beinahe 20 Jahren für den Erhalt der Ruine der Nikolaikirche. Ivar Buterfas hätte sich berechtigte Hoffnungen auf die Ehrenbürgerwürde der Stadt machen können. Bis er zugeben musste, dass er eine Tombola des Förderkreises der Nikolaikirche manipuliert hat.
Als Präsident des Förderkreises ist Buterfas zurückgetreten. Am späten Donnerstagnachmittag hat er erklärt, einem Elmshorner Unternehmer für 12.000 Euro Lose der Tombola verkauft zu haben – mit Gewinnen im Wert von rund 48.000 Euro. Der 72-Jährige gesteht seinen Fehler ein, mal unumwunden und zerknirscht, mal zögerlich und trotzig: „Niemand bedauert das mehr als ich.“ Seinen Abgang hat er sich anders vorgestellt.
Für die Tombola hatte Buterfas drei Los-Serien mit jeweils 20.000 Losen geplant. Doch bereits der Verkauf der zweiten Serie verlief schleppend. „Da kam mir der Tsunami dazwischen“, sagt Buterfas. An einem Tag in der Fußgängerzone wurde er nur rund 80 Lotteriescheine los. Buterfas beschloss, einen Großabnehmer zu suchen und von der dritten Serie nur noch 4.000 Lose drucken zu lassen. Da die Preise den Serien bereits zugeteilt waren, enthielten diese Lose alle Gewinne der dritten Serie – inklusive eines Autos und zweier Schiffsreisen.
Den Großabnehmer hat Buterfas in Michael Sottmann gefunden. 6.000 Lose kaufte der Gerüstbauer zum regulären Preis, 2.000 aus der zweiten Serie und die 4.000 der dritten. Sottmann hat sich bereits vor Jahren um St. Nikolai verdient gemacht: 1992 stiftete er eine der neuen Kirchenglocken. Danach, sagt Buterfas, habe er Sottmann 12 Jahre nicht gesehen. Er sei weder ein Freund noch ein Geschäftspartner. Zufällig habe er den Unternehmer getroffen und ihm die Lose angeboten: „Das hätte ich auch bei Max Müller gemacht.“ Sottmann habe von der ungewöhnlich hohen Gewinnquote nichts gewusst, das sagt er selbst und das sagt Buterfas. Die Hauptgewinne hat er bereits zurückgegeben.
Auf welche Weise diese nun ausgespielt werden, ist unklar. Die Finanzbehörde hat die Tombola gestoppt und eine vom Wirtschaftsprüfer testierte Abrechnung angefordert, die Staatsanwaltschaft ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Betrug und Untreue stehen als Vorwürfe im Raum. Einen finanziellen Schaden habe es für den Förderkreis jedoch nicht gegeben, erklärt der kommissarische Präsident, Frank Breckwoldt: „Die nicht gedruckten 16.000 Lose hätten wir nie mehr verkaufen können.“ Der Imageschaden sei zwar noch nicht abzusehen, doch zumindest der Hauptsponsor habe seine weitere Unterstützung zugesichert.
Ivar Buterfas ist in der Freien und Hansestadt eine bemerkenswerte Karriere gelungen. Dem Nazi-Terror entkommen, arbeitete er als Vertreter und Box-Promoter, gründete schließlich ein erfolgreiches Bauunternehmen. Mit Buterfas auszukommen, mag nicht einfach sein. Er prahlt gerne mit Auszeichnungen, will mit dem Kopf durch die Wand, entscheidet am liebsten alleine. Dies taten ehemalige Weggefährten in den Boulevardzeitungen kund, kaum waren die ersten Berichte zur „Tombola-Affäre“ gedruckt – auffällig dabei der inflationäre Gebrauch des jiddischen Begriffes „Schmu“. Bis vor einer Woche war Ivar Buterfas ein angesehener Mann in Hamburg, respektiert und geachtet. Geliebt hat man ihn wohl nicht.