Zukunft der Arbeitsgesellschaft: Routine-Arbeit stirbt nicht aus

Zukunftsfähig sind in Deutschland nur hochqualifizierte Jobs, heißt es. Dabei ist jeder vierte Beschäftigte in der Industrie ein sogenannter Einfacharbeiter.

Mineralwasser vom Fließband. Bild: dpa

An einer Maschine stehen und immer wieder den gleichen Handgriff wiederholen, fehlerhafte Produkte auf einem Fließband aussortieren oder fertige Waren abpacken - die einfache Routinearbeit in der Industrie gilt in Deutschland als Auslaufmodell. Das aber ist ein Trugschluss. Denn trotz der Verlagerung ganzer Branchen wie der Textil- und Möbelindustrie in Billiglohnländer und der zunehmenden Orientierung auf High-Tech- und Exportbereiche sind rund ein Viertel aller Jobs in der Industrie in Deutschland sogenannte einfache Arbeitsplätze. Das haben die Autoren einer Studie der Technischen Universität Dortmund herausgefunden, die jetzt veröffentlicht wurde. Demnach hat die Zahl der einfachen Industriearbeitsplätze in den vergangenen Jahren zwar abgenommen, diese bilden mit einem Anteil von 23 Prozent mittlerweile aber einen stabilen Sockel in der industriellen Fertigung, so die Forscher Jörg Abel, Hartmut Hirsch-Kreinsen und Peter Ittermann.

Die Dortmunder Wissenschaftler definieren Einfacharbeit als Tätigkeiten, "die im Gegensatz zur qualifizierten Facharbeit keine Berufsausbildung verlangen und die nach kurzen Qualifizierungs- oder Einarbeitungsprozessen ausgeführt werden". Übergeordnetes Wissen spiele dabei eine untergeordnete Rolle, die Handlungsautonomie der Beschäftigten sei begrenzt. Der Grund für den Erhalt einfacher Jobs sei: Trotz aller Verlagerungsrhetorik werden "auch in Deutschland zu einem hohen Prozentsatz weiterhin vergleichsweise einfache Standardprodukte hergestellt".

Dabei ist das Bild nach Branchen differenziert. So liegt der Anteil der Einfacharbeit in der Gummi- und Kunststoffindustrie bei über 41 Prozent. Beim Recycling, in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, bei Papier und Druck sowie der Metallerzeugung sind es über 30 Prozent. Deutlich geringer - nämlich unter 25 Prozent - ist der Anteil der Einfacharbeit in der Automobilindustrie, in der Chemieindustrie und im Maschinenbau, in denen die qualifizierte Facharbeit klar dominiert.

Frauen und Nichtdeutsche werden in der Industrie überproportional auf Einfacharbeitsplätzen beschäftigt. So sind knapp 40 Prozent aller Einfachjobber Frauen, während nur 26 Prozent aller Industriebeschäftigten Frauen sind. Und: 19 Prozent aller Einfacharbeiter sind Nichtdeutsche, während ihr Anteil in der Gesamtwirtschaft bei rund 6 Prozent liegt.

Knapp die Hälfte aller Einfacharbeiter hat keine Berufsausbildung, ebenso viele haben jedoch eine Lehre erfolgreich absolviert. Die Ausbildung schützt also nicht davor, einfache und tendenziell schlechter bezahlte Tätigkeiten ausüben zu müssen. Während aber einfache Tätigkeiten im Dienstleistungssektor - zum Beispiel bei Wachschützern und Friseurinnen - schnell zu prekärer Beschäftigung und Armutslöhnen führen, ist dies in der Industrie offenbar weniger der Fall. Laut Studie sind die allermeisten Einfacharbeiter in Vollzeit (80 Prozent) und unbefristet (92 Prozent) beschäftigt. Zwar sei die Einfacharbeit von "unterdurchschnittlichen Einkommensmöglichkeiten" gekennzeichnet, eine "ausgeprägte Niedriglohnbeschäftigung" sei sie aber nicht. Die Forscher führen dies auf Tarifbindung oder tarifvertragliche Orientierung der Industriebetriebe hin, wie es sie im Dienstleistungsbereich kaum gibt.

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