Poppige Ausstellung: Moderne Märchen

Fantasy-Motive sind modern und im Trivialen verwurzelt. Wie sie es dennoch ins Museum schaffen, das zeigt die Ausstellung "Märchenwald" im hannoverschen Sprengel-Museum.

Erinnert ans Sakrale: Armin Boehms Ölbild "Paintball Orange" aus dem Jahr 2001. Bild: Sammlung von Storch

Mal angenommen, es gäbe mikroskopisch kleine Wesen, die im Kopfhaar des Menschen leben. Das Licht, das diese Wesen wahrnehmen, ist rot. Die Tage, die die Wesen im Kopfhaar verbringen, sind lang. Deshalb unterhalten sich die kleinen Wesen damit, sich gegenseitig abzuschießen. Denn die Wesen sind dem Menschen sehr verwandt. Sie sehen ihm zum Verwechseln ähnlich. Und sie haben ihm das Paintball-Spielen abgeschaut.

Der Künstler, der diese Wesen und ihre mikroskopisch kleine Welt sichtbar gemacht hat, ist der Berliner Armin Boehm. Der Kunstverein Braunschweig hat Boehm erst kürzlich in einer Einzelausstellung präsentiert. Das Sprengel-Museum in Hannover legt nun nach: Boehms großformatiges Gemälde "Paintball" ist ein Teil der aktuellen Ausstellung "Märchenwald".

Zu sehen sind die Arbeiten von vier zeitgenössischen Künstlern im Alter zwischen 29 und 37 Jahren und einige Lithografien des 1976 verstorbenen Künstlers Max Ernst. Die Ausstellung will zeigen, was passiert, wenn Künstler märchenhafte Szenerien darstellen. Wobei unter den Zeitgenossen nur Martin Mannig Zwerge, Hexen und das Rotkäppchen gemalt hat. Die anderen machen etwas, das nicht mehr Märchen ist, sondern Fantasy.

"Fantasy" klingt nicht nur moderner, Fantasy ist auch eher etwas für ein Publikum, das die Kita hinter sich hat. Der Paderborner Uwe Henneken, Jahrgang 1974, malt zum Beispiel einen rosaroten Panther im Greisenalter. Der Panther bewegt sich einsam wie Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" durch eine wunderbare Landschaft. Die Wolken leuchten pink bis lila und verschmelzen mit dem Grün der Berge. Psychedelische Pflanzen-Tier-Wesen säumen den Weg. Es ist ein Bild voller Fremdheit und voller Frieden.

Interessant ist die Frage, wie es die im Trivialen verwurzelte Fantasy ins Museum schafft. Bei Henneken sind es die kunsthistorischen Bezüge: Sein Bild ist ein Sehnsuchtsbild, bei dem die Natur den Rahmen bildet - wie bei der Malerei der Romantik. Armin Boehms Paintball-Schlacht erinnert dagegen an Motive christlicher Fresken: Wie Engel schweben die Spieler am Bildrand und bilden einen Kreis, aus dessen Mitte das Licht kommt.

Eher langweilig sind demgegenüber die Lithografien von Max Ernst. Schlaksige Männchen hängen neben Diagrammen. Manche Bilder sehen nach Bewegungsstudie aus, manche nach naturwissenschaftlichem Lehrbuch. Die Arbeiten beziehen sich auf "Alice im Wunderland" und gehören zur Sammlung des Sprengel-Museums.

Verwirrend ist, wie häufig das Thema "Natur" derzeit im Sprengel-Museum vorkommt. Neben der Ausstellung "Märchenwald" gibt es die Ausstellung "Nachtblüten" mit Naturbildern und die Foto-Ausstellung "Stadt Land Fluss", die die Überlagerungen von Natur und Zivilisation thematisiert.

Alle drei Ausstellungen gehören zum Stadtmarketing-Projekt "Gartenregion". Diesen Titel hat sich die Region für das Jahr 2009 selbst verliehen, um Projekte anzuschieben und Touristen anzuziehen. Das Motto lautet "Entdecken. Erleben. Genießen.". Eine Partie Paintball ist allerdings nicht im Programm enthalten.

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