Neues Robbie-Williams-Album: Von Grundschule bis Altersheim

Opulente Streicher, schneidige Bläser und Feuerzeugtaugliches: Mit "Reality Killed The Video Star" öffnet Robbie Williams den Waschbrettbauchladen für alle.

Sänger ohne Führerschein: Robbie Williams. Bild: emi/julian broad

Robbie Williams auf allen Kanälen: Dem ehemaligen Take-That-Mitglied und begnadeten dauerjugendlichen Selbstkompromittierer ist derzeit nicht zu entkommen. Kein Wunder, denn heute erscheint mit "Reality Killed The Video Star" sein achtes Studioalbum.

Nach dem für Williams-Verhältnisse eher durchwachsenen Erfolg des Vorgängers "Rudebox" (2006) dürfte der Sänger aus Stoke-on-Trent nun wieder an alte Zeiten anknüpfen.

Für "Reality Killed The Video Star" hat er sich mit Trevor Horn zusammengetan. Der Albumtitel darf auch als Hommage an die 60-jährige Produzentenlegende verstanden werden: Horn war eine Hälfte des Pop-Duos The Buggles, das mit der Debütsingle "Video Killed The Radio Star" 1979 nicht nur internationale Erfolge feierte, sondern damit auch zwei Jahre später den ersten Videoclip des Senders MTV stellte.

Horn hat seinen Job für Williams gut gemacht: Die Streicher schwelgen allenthalben in barocker Opulenz und kippen nur ganz selten in Bonbonladenklebrigkeit. Dazu gibt es schneidige Bläsersätze. Man scheint ganze Orchester und Gospelchöre verschlissen zu haben. Der Glätte des Albums ist anzumerken, dass hier nach Möglichkeit niemand zwischen Grundschule und Altersheim vom Mitwippen ausgeschlossen werden soll. So gibt es zwar die Gesten des Rock, aber nie den Rock selbst: Dem Hörer werden dessen Lässigkeit und Freiheitsdrang sowie der so schön von vorn durch die Haare fahrende Wind serviert, nichts aber, was nach aggressiver Männlichkeit oder unsublimierter Sexualität schmecken könnte. Dazu passt, dass der führerscheinlose Brite als Marlon-Brando-Lookalike auf dem Cover mit einem Motorrad im Präriestaub posiert.

Die Musik funktioniert wie ein Popquiz. Nicht nur findet sich darauf, wofür die Formatradios in ihren sexhotlineartigen Jingles immer werben - die größten Hits der 80er, 90er und 00er Jahre, vermischt mit ein paar schmerzfreien Gegenwartssounds. Sie streift mit der von lustigen Doo-Wop-Backing-Vocals verzierten Schmalztollen-Schnulze "You Know Me" zudem kurz die 50er. Und auch die Beatles sind - natürlich in der rockistischen Interpretation ihrer Coverband Oasis - als Vertreter der 60er stets dabei, während der David Bowie der 70er durch Stücke wie "Blasphemy" oder das angedüsterte "Deceptacon" geistert.

Der runderneuerte Waschbrettbauchladen des Entertainers bietet also für jeden Geschmack etwas: von der großen Feuerzeugballade mit Elton-John-Klavier ("Morning Sun") bis zum straighten Uptempo-Rock mit Schubiduh-Chören ("Do You Mind"). Und mit dem pluckernd-melancholischen "Last Days Of Disco" sowie dem dezent vocoderisierten, wirklich tollen "Difficult For Weirdos" hat Williams zwei ziemlich perfekte Pet-Shop-Boys-Songs für die Disco eingesungen. So hat die ganze Familie ihren (Rate-)Spaß: "War das nicht Huey Lewis?" - "Ist dieses Intro nicht von Depeche Mode?" - "Nee, das ist doch Bowie!"

Das Album bedient mit seiner stilistischen Beliebigkeit perfekt die Bitte-wählen-Sie-selbst-Mentalität des iTunes-Zeitalters, in dem niemand mehr damit durchkommt, seinen Kunden ein ganzes anstrengendes Albumkonzept zuzumuten. Es herrscht das Prinzip der bunten Tüte: "Und noch zwei davon, bitte." Williams und sein Team haben ein schönes Album gemacht. Doch es ist derart eingängig, dass man ahnt, wie schwer erträglich man es schon in Kürze finden könnte.

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