: Der Ökomarkt in Zahlen
ÖKONOMIE Bio boomt. Doch die politischen Rahmenbedingungen werden schwieriger. So sind etwa die Fördergelder für die Umstellung auf Ökolandwirtschaft gesunken
VON MIRKO HEINEMANN
Bio oder nicht bio? Wie sehr das Thema heute noch für politische Zwecke instrumentalisiert wird, zeigte jüngst wieder die Berichterstattung über eine Lebensmittel-Umfrage. Kurz vor der Berliner Lebensmittelmesse Grüne Woche hatte das Bundesagrarministerium Infratest Dimap beauftragt, herauszufinden, ob die Deutschen mit ihren Lebensmitteln zufrieden sind. Sind sie, fand Infratest heraus, über 90 Prozent lobten die Vielfalt und die Qualität der Nahrungsmittel in Deutschland. Auch das Thema Biolebensmittel kam zur Sprache, 52 Prozent der Befragten lobten die Qualität in Bioläden. Ein Springer-Redakteur machte daraus die Überschrift: „Nur jeder Zweite mit Qualität von Bioläden zufrieden“. So stand es in der Berliner Morgenpost. Dabei betonte der Verfasser der Agenturmeldung, dass sich über ein Drittel der befragten Verbraucher gar keine Meinung bilden konnten. „Unzufrieden“ mit der Qualität in Bioläden seien nur 10 Prozent aller Kunden gewesen, wird zitiert, und das seien nur halb so viele wie Supermarktkunden allgemein. Eine peinliche Posse aus der Kategorie „Statistiken, die man gern fälschen würde“.
Die Zufriedenheit mit den Biosupermarktkunden ist also relativ hoch. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass sich die gesamte Ökobranche weiter wächst, wenngleich auf niedrigem Niveau. Nach einigen Jahren mit eher verhaltenem Wachstum konnte die Branche 2011 wieder stärker zulegen. In Deutschland, europaweit Spitzenreiter in Sachen Bio, stieg laut Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) der Umsatz von Bionahrungsmitteln um 9 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro, der Bioanteil am Lebensmittelmarkt beträgt damit 3,7 Prozent. Die Daten für 2012 wird der BÖLW zur Biofach-Messe bekanntgeben. Die Nummer zwei auf dem Biosektor in Europa ist Frankreich. Dort wurden 2011 rund 4 Milliarden Euro Umsatz mit Biolebensmitteln gemacht, ein Zuwachs von 11 Prozent. Ein Rekordwachstum von 17 Prozent verzeichneten die Niederlande, die USA 8 Prozent. 2010 gaben die US-Amerikaner rund 20,15 Milliarden Euro für Biolebensmittel aus – und damit erstmals mehr als die Europäer.
In Deutschland überstieg die Anbaufläche für den Ökolandbau im Jahr 2011 erstmals die Schwelle von einer Million Hektar. Laut Erhebung der Agrarmarkt Informationsgesellschaft AMI stieg dabei die Anzahl der Betriebe, die Ökolandbau betreiben, um rund 500 auf 22.506 und machen damit 7,5 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe aus. Mit der hohen Nachfrage nach Biomilch sind mehr Biobetriebe in die Biomilchproduktion eingestiegen, die Zahl der Milchkühe hat sich auf 139.000 Stück erhöht. Die Biomilchanlieferung hat sich im Jahr 2011 um 10,4 Prozent erhöht, so dass 2,2 Prozent der gesamten Milch von Biobetrieben stammten.
Vor allem in der Eierproduktion gab es deutliche Zuwächse. Wegen der hohen Nachfrage wurden in großem Stil Biolegehennenställe gebaut, 2011 gab es 2,9 Millionen Biolegehennen – ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Danach wurden 7,3 Prozent der Hennen in Deutschland nach Biorichtlinien gehalten. Laut gemeinsamer Auswertung von AMI und MEG (Marktinfo Eier & Geflügel) legten sie 6,8 Prozent der deutschen Eier. Im Verhältnis dazu legte der Absatz von Biohähnchen als Schlachtgeflügel nur um 0,8 Prozent im zu, das waren insgesamt 580.000 Hähnchen. Nach Ansicht der AMI liegt die Ursache in den „hohen Preisaufschlägen gegenüber der konventionellen Variante“, die sich beim Verbraucher nicht durchsetzen lassen. Bei Biorindfleisch lag der Anteil indes bei 3,6 Prozent, bei den -schweinen ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot. Weil Zuchtbetriebe für die Ferkelproduktion fehlen, sind die Bioschweinebestände 2011 nur leicht auf 122.000 Tiere gestiegen. 250.000 Bioschweine dürften in Deutschland geschlachtet worden sein, 0,7 Prozent der gesamten Schweine in Deutschland.
Die Zahlen machen klar, dass von einem Boom in der Biobranche derzeit nicht die Rede sein kann. Offenbar favorisieren die Verbraucher nach wie vor günstige Angebote. Vor allem in Sachen Fleisch ist der Preis offenbar immer noch das schlagende Argument. Auch die politischen Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden. Die Fördergelder für die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft sind gesunken, wie eine Studie der Universität Bonn ergab – im Vergleich zu den Jahren 2004 bis 2009 im Bundesdurchschnitt um rund 11 Prozent. Verbände beklagen außerdem den Wettbewerb um Ackerflächen, der sich im Zuge der Förderung von Biogasanlagen verschärft habe.