Anti-Terror-Kampf und Folter: Deutscher Tabubruch in Taschkent

Sie brauchten seine Aussagen im Anti-Terror-Kampf. Deutsche Beamte befragten Scherali Asisow in einem Gefängnis des Folterstaats Usbekistan. Eine sonntaz-Reportage zeichnet seinen Weg nach.

Menschenrechtsgruppen halten die Dienstreise deutscher Ermittler nach Usbekistan, um Scherali Asisow zu interviewen, als skandalös. Bild: bensmann

BERLIN taz | Der Tabubruch geschah am 30. September 2008. Beamte des Bundeskriminalamtes und ein Vertreter der Bundesanwaltschaft reisten zu einer Zeugenbefragung in den Folterstaat Usbekistan. In der Hauptstadt Taschkent befragten sie Scherali Asisow, dem die dortigen Behörden vorwarfen, ein Terrorist zu sein. Er soll im Sommer 2006 einen Anschlag auf den Militärstützpunkt im usbekischen Termes versucht haben, den die Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan nutzt.

Aber nicht deswegen reisten die deutschen Ermittler nach Taschkent. Die Bundeswehr weiß nach eigenen Angaben auch drei Jahre später gar nichts von einem Attentatsversuch. Die deutschen Behörden interessierten sich aus einem anderen Grund für Asisow: Sie wollten ihn zu den vier Männern befragen, die 2007 in Deutschland Anschläge planten und dann im Sauerland verhaftet wurden.

In dem Video von der Vernehmung, das der taz vorliegt, sagt der heute 34-Jährige aus, zwei der Angeklagten im Sauerland-Prozess zu kennen: aus einem Ausbildungslager für Terroristen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Er spricht über die Islamische Dschihad-Union. Andererseits sagte der Vater des Gefangenen, sein Sohn habe ihm bei einem Besuch im Gefängnis versichert, er habe nichts getan. "Scherali hat mir gesagt, dass er unschuldig ist", sagt Chaitali Asisow.

Der taz-Korrespondent Marcus Bensmann hat die Familie des Gefangenen in einen tadschikischen Dorf ausfindig gemacht. In seiner sonntaz-Reportage wird erstmals der Lebensweg des Mannes beschrieben - von seinem Heimatort Beskapa über die Armeezeit an der Grenze zu Usbekistan bis in den Ostiran, wo er den Koran studierte. Dort verlor ihn seine Familie aus den Augen.

In den Vorwürfen, die Usekistans Behörden gegen ihn erheben, aber auch in Unterlagen der deutschen Behörden finden sich einige Widersprüche. Einer davon: Im Protokoll einer ersten Befragung durch einen BKA-Beamten steht, dass Asisow schon 2003 in den Iran gereist sei. Doch die Behörden in Tadschikistan haben erst am 29. Dezember 2003 seinen Reisepass ausgestellt.

Terrorist oder nicht - Usbekistan ist ein Unrechtsstaat. Das US-Außenministerium schreibt im aktuellen Länderreport, dass bei Polizei und Geheimdienst des Landes Folter Routine ist. Kein Wunder, dass Menschenrechtsgruppen die Dienstreise deutscher Ermittler nach Usbekistan für skandalös halten. "Solche Befragungen dürfen nicht stattfinden", sagt Monika Lüke, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, der sonntaz. "Die Bundesanwaltschaft unterwandert damit das absolute Folterverbot. Es kann nicht sein, dass die deutsche Justiz von der Folter in anderen Staaten profitiert. Mit der Befragung in Usbekistan haben deutsche Ermittler wieder die rote Linie überschritten." Zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen deutsche Beamte Maßnahmen, die gegen das Völkerrecht verstoßen, kritisierte Lüke.

Dagegen verteidigt die Bundesanwaltschaft ihr Vorgehen. Ein Sprecher teilte auf Nachfrage mit, die Befragung habe "keine Auffälligkeiten" aufgewiesen, "die auf eine Beeinflussung des Zeugen durch psychische oder physische Zwangsmittel hindeuten". Asisow habe ausdrücklich gesagt, dass ihm weder bei seiner Festnahme noch danach Verletzungen zugefügt worden seien. Dies steht jedoch im Widerspruch zu einem der deutschen Vernehmungsprotokolle, in denen das BKA unter Berufung auf Usbekistans Geheimdienst schreibt, Asisow sei bei seiner Festnahme verletzt worden.

Inzwischen hat der Sauerland-Prozess begonnen. Vor dem Gericht in Düsseldorf wäre es sicher zu einer Auseinandersetzung über den Zeugen Scherali Asisow und die Verwertbarkeit seiner Aussagen gekommen. Aber das war nicht nötig: Alle vier Angeklagten haben überraschend gestanden, und so brauchte die Bundesanwaltschaft den Zeugen Scherali Asisow nicht mehr.

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