Kolumne: Die ewig seligmachende Club-Tasse

Kitsch erinnert an schöne Zeiten und Menschen - und ist so herrlich unnütz und unvernünftig

Je schlechter die Welt, desto dringender brauche ich Kitsch. Nicht nur an Weihnachten verdränge ich mit gläsernen Schneekugeln, dass die Bundeswehr bombt, Westerwelle regiert und die Klima-Rettung scheitert. Ich brauche Kitsch auch im Alltag, immer. Für mich ist das Gute am Kitsch, dass er offenkundig nutzlos ist und trotzdem von irgendjemandem ersonnen, hergestellt und verkauft wurde - nämlich an mich oder einen netten Schenker. Wenn dafür noch Zeit und Geld da ist, kann die Lage noch nicht völlig verzweifelt sein. Ich finde Kitsch tröstlich. Er steht für Freiheit von Vernunft und dem Nützlichkeitsdenken. Und für die Erinnerung an schöne Zeiten und Menschen. Richtig lieb habe ich nur Kitsch, der nach immer längerem Aufenthalt in meiner Wohnung mit immer höherer Bedeutung aufgeladen wird.

Hier meine derzeitige Top-Five:

Die Fred-Feuerstein-Teekanne - besteht aus einem Dinosaurier und einem Steinzeitmenschen als Deckel. Vollkommen nutzlos, weil der Tee beim Einschenken garantiert verschüttgeht. Aber schon allein deshalb wertvoll, weil Fred Feuerstein alle Umzüge überstanden hat, was ich als Liebesbeweis meiner Umzugshelfer empfinde.

Der Blasmusik-Wecker - erinnert mich an meine Studentenzeit in Bayern. Aber auch an den regelmäßigen Kater beim Aufwachen damals. Deshalb ist es nicht so schlimm, dass der Wecker nicht mehr funktioniert. Bleibt trotzdem im Schrank.

Der Allah-Wecker - hat mir eine Freundin mitgebracht. Obwohl sie da schon nicht mehr meine Freundin war. Ein gutes Zeichen. Oder? Die lilablassblaue Plastikmoschee mit dem durchdringenden Muezzin-Ruf kommt aus Pakistan. Daraus schließe ich: Es gibt dort außer Atombomben auch Humor. Und überhören kann den Wecker garantiert niemand. Verschlafen ausgeschlossen. Er ist also sogar nützlich.

Der Ramsauer-Krug - das schönste Geschenk, das ich als Parlamentsreporter bekommen habe. Von der CSU-Landesgruppe. Aus Glas. Mit Zinndeckel, in dem mein Name eingraviert ist. Jedes Mal, wenn ich ihn benutze, fühle ich Sehnsucht nach den Weißwürsten beim weiß-blauen Stammtisch, aber auch Erleichterung, weil ich mir die CSU nicht mehr anhören muss.

Die Club-Tasse - ein Geschenk, das ich von meiner Schwägerin bekommen habe. Ein gutes Zeichen: Sie versteht mich und meinen obskuren Lieblingsverein. Auf der Tasse ist die Mannschaft des 1. FC Nürnberg abgebildet, daneben ich als Trainer. Wunderbar und zeitlos schön. So muss ich mir nicht bei jedem, in Nürnberg häufig stattfindenden Trainerwechsel eine neue Tasse kaufen - und auch in diesem Jahr an Weihnachten nicht weinen.

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seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens

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