Neuer Schachsuperstar: Kleiner König Carlsen

Der Norweger Magnus Carlsen ist mit 19 Jahren die neue Nummer eins auf dem Brett. Mit fünf brachte ihm sein Vater die Regeln für das Schachspielen bei.

Der 19-Jährige Weltranglistenerste Magnus Carlsen erfüllte sich einen Traum. Bild: ap

Magnus Carlsen hört von Besuchern in Lommedalen häufig: "Du musst doch hier zahllose Schachspiele rumstehen haben." Schließlich ist der Norweger die neue offizielle Nummer eins auf dem Brett. Stoisch pflegt der 19-Jährige den Laien zu antworten: "Womöglich haben wir irgendwo eins - aber ich bin mir nicht ganz sicher." Im Interview mit dem Time Magazine erläutert der jüngste Weltranglistenerste der Schachgeschichte, dass er kein Brett benutze, wenn er allein trainiere.

Dass er jetzt die Spitze erklimmt, macht Carlsen "stolz, weil es eine Leistung ist, dies bereits als Juniorenspieler zu erreichen". Mit fünf lernte der Skandinavier die Regeln von seinem Vater Henrik, einem starken Amateur. Den Großmeistertitel, den schwarzen Gürtel des Denksports, eroberte das Wunderkind als drittjüngster Spieler aller Zeiten im Alter von 13 Jahren und vier Monaten. Zum Liebling der Fans avancierte der frühere Skispringer 2004 in Reykjavík. Auf Island brachte der kleine Bube den Schachsuperstar Garri Kasparow im Schnellschach ins Wanken. Der Russe rettete sich mit Mühe in ein Remis. Fortan galt Magnus Carlsen als "Mozart des Schachs".

Im Herbst knackte Carlsen die Grenze von 2.800 Elo-Weltranglistenpunkten, die im Schach lange so etwas Ähnliches waren wie im Weitsprung die 8,90 Meter von Bob Beamon. Dank des Turniersiegs in London vor zwei Wochen und einer leichten Steigerung auf 2.810 Elo überflügelt Carlsen nun den Bulgaren Wesselin Topalow (2.805), der fünf Elo einbüßt. Rang drei nimmt Weltmeister Viswanathan Anand (Indien/2.790) vor dem wiedererstarkten Exchampion Wladimir Kramnik (Russland/2.788) ein. "Ich erreichte ein langfristiges Ziel und erfüllte mir so einen Traum", bekennt Carlsen, der der erste westliche Profi ist, der seit dem Amerikaner Bobby Fischer 1972 wieder die Weltrangliste anführt.

Der Baden-Badener Bundesligaspieler hat seinen Erfolg vor allem seinem neuen Coach Garri Kasparow zu verdanken. Der vor seinem Rücktritt zwei Jahrzehnte lang dominierende Exweltmeister puschte ihn binnen wenigen Monaten ganz nach oben. Der Russe schätzt an seinem Schützling weniger ellenlange Variantenberechnungen - obwohl Carlsen laut eigener Aussage "je nach Stellung manchmal 15 bis 20 Züge weit rechnet" -, vielmehr sieht er dessen Stärke eher in der Intuition, sprich "den richtigen Zug zu erahnen", wie Carlsen selbst sagt. Außer im Spielstil grenzt sich der 19-Jährige in einem zweiten Bereich klar von dem russischen Oppositionellen ab: "Garri ist mein Schachtrainer. Wenn es zum Kampf mit Wladimir Putin kommt, will ich nicht darin verwickelt sein", betont der Jungstar.

Im Vergleich zu manch anderem Genie auf den 64 Feldern gibt sich Carlsen bodenständig. "Ich versuche den Leuten klarzumachen, dass ich zwar vielleicht im Schach sehr gut, aber kein Freak bin - und normal wie sie." Der Hobbyfußballer sieht sich deshalb nicht "auf dem Weg, verrückt zu werden. Es ist leicht, dass man von Schach besessen wird." Die Besessenheit von verstorbenen US-Legenden wie Bobby Fischer oder Paul Morphy "teile ich keineswegs, auch wenn ich den Wettkampf und das Spiel liebe".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.