Verdächtiger fliegt trotz Bombenalarm: "Man muss ihn auch festhalten"
Ein Reisender löste am Flughafen München Großalarm aus. Der Verdacht: Er könnte Sprengstoff im Laptop haben. Der Fluggast ist verschwunden. Das Laptop auch. Polizeigewerkschaft ist empört.
MÜNCHEN dpa/apn/taz | Mittwochnachmittag, Flughafen München. Rund 100 Maschinen verspäten sich, 33 Flüge müssen annulliert werden. Viele Maschinen flogen leer weiter, um wenigstens am nächsten Ziel den Flugplan wieder einhalten zu können.
Der Grund für das Durcheinander: Das Laptop eines Fluggastes löste Sprengstoffalarm aus. Der Alarm legte über drei Stunden lang das Terminal 2 des Flughafens lahm, hielt viele Fluggäste auf. Nur der Mann, der den Alarm auslöste, konnte verschwinden. Und sein Laptop auch.
Auch am Donnerstagmorgen hatte die Polizei noch keine Ahnung, wer der Fluggast war – und wo er geblieben ist. Wahrscheinlich war er ein ganz normaler Fluggast, der es einfach eilig hatte. Und der Alarm ein Fehlalarm. Vielleicht aber auch nicht.
Es könnte sich um einen Geschäftsmann mittleren Alters handeln, sagte ein Bundespolizei-Sprecher am Donnerstagmorgen in München. Weil der Mann nicht gefunden wurde, vermutet die Polizei, der Mann könnte gleich nach dem Alarm vom Flughafen abflogen sein. Die Fahndung läuft aber weiter. "Die Polizei hat ein Interesse daran, den Fall komplett zu klären", sagte der Sprecher.
Bei der Sicherheitskontrolle schlug ein Scanner gegen 15.30 Uhr positiv auf Sprengstoff an, als das Notebook des Mannes überprüft wurde. Der Mann ergriff offenbar seinen Computer, lief weiter in den Abflugbereich und verschwand spurlos.
Möglicherweise bekam der Mann nicht mit, dass eine weitere Überprüfung anstand. Vielleicht hätte ihm das aber auch jemand nachdrücklich klar machen sollen. Von dem Mann gibt es auch die Bilder einer Überwachungskamera.
Hunderte Menschen mussten die beiden Ebenen für Flüge innerhalb und außerhalb des Schengen-Gebietes verlassen, wurden erneut kontrolliert. Die Fluggäste reagierten eher gelassen. Die Durchsagen am Flughafen erläuterten die Räumung mit "Sicherheitsgründen". Erst gegen 19.00 Uhr wurde die Sperrung des Sicherheitsbereichs wieder aufgehoben.
Was in der Laptoptasche den Alarm ausgelöst haben könnte, blieb jedoch unklar. "Das Gerät regiert auf verschiedene Stoffe, das muss nicht unbedingt Sprengstoff gewesen sein", sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Die Kontrollgeräte sind so eingestellt, dass sie Sprengstoff-Verdacht schon auf niedrigstem Niveau melden. Daher kommen offenbar auch Fehlalarme immer wieder vor.
Einen konkreten Verdacht auf Sprengstoff in einem Gegenstand habe es nicht gegeben, hieß es von der Sicherheitsgesellschaft München. Deshalb hätte die Laptoptasche eigentlich verschiedenen Nachuntersuchungen unterzogen werden müssen.
Die Passagieren konnten dann am Abend wieder durch die Sicherheitsschleusen, viele mussten jedoch umbuchen oder wussten noch nicht, wie sie an ihr Ziel gelangen konnten.
GdP fordert Überprüfung der Kontrollen
Unterdessen forderte der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Josef Scheuring, die Sicherheitsvorkehrungen auf deutschen Flughäfen zu prüfen. Eine Lücke könne sich ein Flughafen nicht leisten. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: "Wenn man jemanden kontrolliert, muss man ihn auch festhalten können."
Zwar sei das Geschehen aus der Distanz nur schwer zu beurteilen, es sei aber naheliegend, dass entweder zu wenig Personal am Kontrollschalter zur Verfügung gestanden haben oder aber die Ausbildung der Leute mangelhaft gewesen sei.
Die Kontrollen werden von einer Firma im Auftrag der Regierung von Oberbayern durchgeführt. Nachdem der Sprengstoffdetektor anschlug, dauerte es laut Bundespolizei etwa zehn Minuten, bis sie informiert wurde.
Leser*innenkommentare
Harry
Gast
Wird deshalb ständig der Überwachungsstaat ausgebaut - weil die Sicherheitsleute unfähig sind, bestehende Kontrollen korrekt durchzuführen?
Michael
Gast
Erst vor ein paar Wochen berichtete die Süddeutsche Zeitung darüber, wie beim Sicherheitspersonal am Flughafen München gespart wurde: Um Steuern und Abgaben zu sparen arbeiteten ca. 300 Mitarbeiter der Sicherheitsfirma CAP nebenbei auf 400-Euro-Basis bei einem privaten Unternehmen - von diesem privaten Unternehmen hat sich die CAP dann sozusagen ihr eigenes Personal wieder zurückgeliehen um Überstunden kostengünstiger zu gestalten.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/948/498245/text/
Es wird bereits wegen Steuerbetrugs ermittelt - die aktuelle Sicherheitspanne sollte auch im Zusammenhang mit der Lohndrückerei beim Sicherheitspersonal gesehen werden. Wer Arbeitnehmer nur als Kostenfaktoren begreift sollte sich nicht wunderen, wenn diese "Kostenfaktoren" ihrer Aufgabe als "Sicherheitsfaktor" nicht zu 100 Prozent nachkommen !!!
JCK
Gast
Das erschreckende ist nicht nur die Stümperhaftigkeit mit der die Flughafen"sicherheit" hier gearbeitet hat, sondern auch dass dies wohl nicht der erste solche Fall ist, wie ein Blogger berichtet ( http://www.danisch.de/blog/2008/05/15/der-provinzflughafen-die-bombe-und-ich/ )
und auf solche Vorgängen nicht die nötigen Konsequenzen folgen.
thetruthandonlythetruthandtheonlyonlytruth
Gast
ein weiteres beispiel dafür, dass aucg all die hochgepriesenen techniken der überwachung keine "sicherheit" bringen. denn am ende steht der mensch, und dder macht fehler.
istdochegal
Gast
Das geht auch sorgfältiger.
der Mann könnte gleich nach dem Alarm vom Flughafen abflogen sein.
...
Das Gerät regiert auf verschieden
...
dass entweder zu wenig Personal am Kontrollschalter zur Verfügung gestanden haben
Tobias Beuscher
Gast
Ob sich nach sich häufendem, menschlichen Versagen an Flughäfen wie hier, oder vor Kurzem in Prag immernoch Stimmen erheben und mehr Sicherheitskontrollen und Vorkehrungen fordern?
Ullrich F.J. Mies
Gast
Etwas sehr nahe Liegendes haben Sie leider "vergessen":
Wie wäre es, wenn der Mann mit seinem verschwundenen Laptop Geheimdienstler war, der auftragsgemäß aktiv war: In der Öffentlichkeit Angst zu verbreiten?
Viele begreifen bis heute immer noch nicht das dreckige Spiel, das getrieben wird. Nur eine angstvolle Bevölkerung lässt sich regierungskonform steuern.
Diese Art der Steuerungsversuche lässt sich wie an einem Perlenband aufreihen.
Dr. Who
Gast
Peinliche Vorstellung unserer Sicherheitsbehörden. In endlosen Diskussionen wird über die Bedenklichkeit des Nacktscanners debattiert.
In der selben Zeit wird einem dieses Malheur vorgeführt, was für mich sicherlich NICHT für die Sicherheit von Flughäfen spricht, sondern lediglich für menschliches Versagen...
just my 2 cent
agtrier
Gast
So, dafür lassen wir uns also im Flughafen abtasten, den Champagner abnehmen, Schuhe ausziehen, durchleuchten - bald auch (virtuell) nakt ausziehen und wer-weiß-noch-was... aber wenn dann einmal der ("sicherheitshalber" zu empfindlich eingestellte) Sprengstoffdetektor* anspringt, ist niemand da, um dem Besitzer des Laptops zu sagen, dass er noch einen Moment warten muss. Schöne neue Welt!
agtrier
* Übrigens ist ein zu empfindlich eingestellter Detektor eher noch sinnloser als ein zu unempfindlicher - wenn es nämlich dauernd Fehlalarme gibt, hört man ziemlich schnell auf, diese ernst zu nehmen.
Captcha: "Gras" - lesen oder rauchen, das ist hier die Frage :-)
davidly
Gast
Gäbe es kein solche Kontrolle, hätten wir dieses Problemchen nicht. Ich bin gespannt, wie es denn aussieht, wenn es sich auch so im Bahnhöfe und Busstationen ausbreiten lässt. Alles für die Sicherheit! Vielleicht ja auch Technoclubs - wo man sowieso gern in einer Schlange steht, um rein zu kommen.
Mag es eventuell einfacher, die minuziöseste Filzenmassnahme durchforsten lassen zu müssen, um von unsren Wohnungen hinausgehen zu dürfen?
vantast
Gast
Habe sehr gelacht. So viel zur deutschen Sicherheit und Terrorwahn. Die Fluggäste sollten beunruhigt sein: viel mehr Menschen sterben im Straßenverkehr.
Wolfgang Schaeuble
Gast
jaja, die Bajuwaren.... Polizeistaat aufbauen aber einen Verdächtigen samt Laptop laufen lassen, echt Deppenhaft.
Jenz aus H.
Gast
Wieder mal kein Backup vom (Firmen?) Laptop gemacht...
Möglicherweise Lili Sussman noch in "guter" Erinnerung...
http://lilysussman.wordpress.com/2009/11/30/im-sorry-but-we-blew-up-your-laptop-welcome-to-israel/
Und jetzt geht dieser blöde Alarm an der Maschine los...
Zeit irrational zu werden!
Wüsste nicht wie ich mich verhalten hätte und bin gespannt ob Sie ihn erwischen und wieviel Tagessätze Schadensersatz dabei herausspringen.
Noch ein Grund sich zu überlegen ob man nicht lieber die Bahn nimmt.
Brave new world.
Minna
Gast
Es ist doch offenkundig, dass all diese Maßnahmen unserer Bin-Laden-Neurose geschuldet sind, denn tatsächlich etwas bewirken würden. Diese vermeintlichen Sicherheitskräfte kommen bestenfalls auf 4,50€/Stunde.
Ralf J
Gast
Jetzt wird es aber langsam Zeit das sich die Flughafenbehörden sachkundigen Rat einholen. Wenn das so weitergeht glaube ich nicht mehr an Sicherheit auf deutschen Flughäfen. Außerdem : Diese Pannen kosten richtig Geld !
Berliner
Gast
Die optimale Lösung wäre, paar Sicherheitsleute von Flughafen Schönefeld nach München zu versetzen. Sie suchen einen mit Handschuh durch, wenn der Reissverschuss von dem Stiefel piept. Da kommt keiner davon.
Karl
Gast
Sehr geehrte Redaktion,
im vorgestellten Fall handelte es sich sicher nicht um einen Bombenalarm!
Tatsächlich hat ein Testgeräte angezeigt dass möglicherweise Sprengstoffspuren vorhanden sind. Daraus läßt sich nicht mehr als ein Anfangsverdacht ableiten; ein Sprengstoffnachweis ist das eben nicht. Letzteres kann so ein Gerät garnicht leisten, dazu braucht es schon mehr als ein IMS.
Ist aber auch egal, wenn dann ein TV so einfach verschwinden kann...
Glück auf!
Karl
bernhard
Gast
und das in münchen.grins.