Kritik von Menschenrechtlern: Frankreich missachtet Flüchtlingsrechte

Die französischen Behörden setzen 124 kurdische Flüchtlinge aus Syrien als illegale Immigranten in Abschiebehaft. Wegen Formfehlern müssen sie wieder aus der Abschiebehaft entlassen werden.

Versucht, ein Exempel gegen die illegale Immigration zu statuieren: Immigrationsminister Eric Besson. Bild: reuters

PARIS taz | Die 124 Menschen, die sich als Kurden aus Syrien bezeichnen, aber keinerlei Papiere bei sich trugen, waren am Freitagmorgen auf einem Strand bei Bonifacio im Süden Korsikas entdeckt worden. Dort waren sie ihren eigenen Angaben zufolge ausgesetzt worden, ohne zu wissen, dass sie sich in Frankreich befanden. Ihre beschwerliche Reise hatte vor fast einem Monat in Lastwagen begonnen, sie kamen zunächst bis Tunesien, von wo sie dann ein Schiff im Frachtraum nach Nordeuropa bringen sollte. Doch die noch unbekannten Schlepper, denen sie 6.000 Dollar pro Erwachsenen und 3.000 pro Kind bezahlt hatten, entledigten sich dann vor Korsika skrupellos nach angeblich zweitägiger Fahrt durchs Mittelmeer ihrer Passagiere.

Für den Polizeipräfekten von Südkorsika war die Sachlage klar: Diese 57 Männer, 29 Frauen (von denen fünf hochschwanger sind) und 38 zum Teil noch sehr kleinen Kinder sind illegale Immigranten, die gegen die Einreisebestimmungen verstoßen haben. Er ordnete darum ihre sofortige Abschiebung über die Grenze oder Ausweisung an. Eine erste Nacht verbrachten die Familien unter Bewachung in einer Turnhalle; am Tag danach wurden sie ohne viel Federlesens in fünf verschiedene Abschiebehaftlager auf dem Festland gebracht und dort samt ihren Kindern eingesperrt. Im Nachhinein rechtfertigte der Präfekt diese Maßnahmen als "humanitäre Geste", da er auf der Insel keine entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten für so viele Familien gehabt habe. Die Migranten seien den Gendarmen ja ganz "freiwillig gefolgt".

Sehr bald aber protestierten die französische Menschenrechtsliga und diverse Hilfsorganisationen gegen diese Behandlung der Flüchtlinge und das überstürzt wirkende Vorgehen der Behörden. Amnesty International verlangte die Freilassung dieser kurdischen "Boat people" aus der Haft, da es nicht vorstellbar sei, dass die rechtliche Situation der Familien von Fall zu Fall geprüft werde, wie dies Immigrationsminister Eric Besson vor Kameras versichert hatte. Außergewöhnlich war die Intervention des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge, das die Regierung mahnte: "Die französischen Behörden müssen gewährleisten, dass alle Personen in den Genuss einer vollständigen und ausgewogenen Prüfung ihres Gesuchs kommen und im Fall einer Ablehnung die Möglichkeit einer Berufung mit aufschiebender Wirkung haben."

Mittlerweile musste die Regierung, die mit ihrem Vorgehen ihre Entschlossenheit im Kampf gegen illegale Immigration und kriminelle Schlepper beweisen wollte, weitgehend zurückrudern. Denn nicht nur nach Ansicht der Menschenrechtsorganisationen, sondern auch gemäß Urteil der Haftrichter von Nîmes, Marseille, Rennes, Lyon und Toulouse haben die korsischen Behörden in ihrer Eile, die unerwünschten Flüchtlinge loszuwerden, krasse Formfehler begangen und die Rechte der Betroffenen missachtet. Diese konnten zunächst keinen Anwalt kontaktieren. Darum wurden inzwischen fast alle 124 auf freien Fuß gesetzt, damit sie ein ordentliches Asylgesuch einreichen können, das den polizeilichen Ausweisungsbefehl dann außer Kraft setzt. Laut der Hilfsorganisation Cimade haben die kurdischen Flüchtlinge gute Chancen auf die Anerkennung als politische Flüchtlinge.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.