Filesharing: Musikindustrie gegen Kulturflatrate

Der Bundesverband Musikindustrie spricht sich gegen Pauschalabgaben für Netz-Downloads aus. Die Opposition und Netzaktivisten sehen in der Kulturflatrate jedoch viel Potenzial.

Der Künstler Johannes Kreidler organisierte 2008 eine Aktion für eine Reform der GEMA. Immer mehr Menschen wehren sich gegen die Netzblindheit der Musikindustrie. Bild: rafff – Lizenz: CC-BY

Trotz zunehmend attraktiver legaler Angebote wird im Internet noch immer gesetzlos heruntergeladen, was das Zeug hält. Die Medienindustrie reagiert zunehmend gereizt, startet riesige Abmahnkampagnen und fordert die Politik auf, selbst Hobbykopierern nach mehrmaligem Erwischen einfach den Netzzugang abzudrehen, ohne den viele Menschen heute kaum mehr leben können.

Internet-Aktivisten fordern deshalb schon seit längerem die Einführung einer so genannten Kulturflatrate, mit der die bislang grauen Downloads aus dem Netz legalisiert werden könnten: Mit einer pauschalen Monatssumme X ließen sich Künstler und Medienfirmen befriedigen, heißt es, denen heute immer mehr Umsätze durch die Lappen gehen. Im Gegenzug darf nicht mehr geklagt werden.

Wie genau ein solches Modell aussehen könnte und wie vor allem der Verteilschlüssel dargestellt würde, ist bis dato unklar. Das hinderte den Bundesverband Musikindustrie (BVMI) jedoch nicht, in dieser Woche ein Positionspapier zu veröffentlichen, das sich vehement gegen die Einführung der Kulturpauschale ausspricht.

In insgesamt zehn Punkten zerlegt die Lobbyorganisation die Pläne als "unfair", "bürokratisch", "verflachend" und sogar entmündigend, schließlich könnten Künstlerinnen und Künstler dann nicht mehr entscheiden, was mit ihren Werken geschehe.

Sogar den Vorwurf des Sozialismus, wenn auch in abgemilderter Form, muss sich der Vorschlag laut BVMI machen lassen: "Die Kulturflatrate widerspricht den ökonomischen Prinzipien unserer Gesellschaft." Zudem verstoße sie darüber hinaus gegen "wesentliche Prinzipien des international geltenden Urheberrechts".

Markus Beckedahl, Internet-Aktivist und Blogger bei Netzpolitik.org, sieht in dem Positionspapier eine Art von Angstbeißen. "Mich verwundert das gar nicht, weil mittlerweile in immer mehr Köpfen die Kulturflatrate als mögliche Lösung vorkommt", sagte er gegenüber der taz. Tatsächlich interessiert sich inzwischen die gesamte Opposition im Bundestag für die Idee.

Die Grünen erwägen nach genauerer Abwägung eine Einführung. Die SPD wiederum wollte die Pauschalabgabe laut Aussagen im letzten Bundestagswahlkampf zumindest prüfen und sah ein gewisses Potenzial zur Konfliktlösung im Streit um das Internet und seine Auswirkungen auf den traditionellen Kulturbetrieb. Interesse an einer Kulturflatrate zeigt sich auch bei den Linken, wo man hofft, dass sie zu einer Lösung der Künstlerinnen und Künstler von alteingesessenen Industriestrukturen - sprich: Musikkonzernen und Studios, die das meiste Geld an ihren Werken einnehmen - führen könnte.

Allein CDU/CSU vermeiden das Thema weitgehend, setzten in ihrem letzten Wahlprogramm auf Pläne zur Urheberrechtsverschärfung "zum Schutz der Kulturschaffenden", die dann allerdings immerhin vor einem Verbot der Privatkopie zurückschreckten. Die FDP lehnt die Idee als "Enteignung" und "Zusatzsteuer" rundweg ab.

Aus diesem Grund glaubt auch Aktivist Beckedahl, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis eine Einführung der Kulturflatrate potenziell möglich ist. Bis dahin sieht er eine weitere Aufrüstung im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen - "Three Strikes"- oder "Two Strikes"-Modelle, wie sie in Frankreich und Großbritannien angedacht sind. "Wenn dann erst einmal festgestellt wird, dass das Herauswerfen der Leute aus dem Netz nichts bringt, wird man wieder anfangen, vernünftig zu diskutieren."

Eine praktische Umsetzung hat sich der Netzaktivist schon vorgestellt: So könne man eine Pauschale von beispielsweise fünf Euro im Monat über Statistiken der Abspielrate in Mediaplayer-Programmen recht genau verteilen. "User, die wissen, dass sie ihr Geld an ihre Lieblingskünstler geben, machen da sicher gerne mit." Datenschutzbedenken könne man über Anonymisierungstechniken wie die Verschlüsselungssoftware Tor lösen.

Beckedahl glaubt auch nicht, dass den Musikfirmen die aktuell endlich zunehmenden Verkäufe von Downloads durch die Lappen gehen werden: "Schon früher haben einige Leute Platten gekauft, andere sie auf Kassette aufgenommen." Es gehe ja genau darum, mit einer Kulturflatrate das unkontrollierte Herunterladen ertragreich zu machen.

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