: Verstörende Gravitationen
Körber Studio Junge Regie am Thalia Theater ging mit Auszeichnung des Stücks „Sterntagebücher“, inszeniert von Seraina Maria Sievi, zu Ende
Viel Shakespeare, dazu noch Aischylos und Hölderlin: Der Regietheaternachwuchs scheint definitiv ein Faible für Klassiker zu haben. Diesen Eindruck bekam man jedenfalls beim Festival „Körber Studio Junge Regie“, das am Sonnabend zu Ende ging.
Gleich vier der acht präsentierten Regiearbeiten hatten Shakespeare-Stücke als Grundlage gewählt. Ausflüge ins „leichte Fach“ wagten dagegen nur zwei Studentinnen. Stanislaw Lems Sterntagebücher und der 80er-Jahre-Kultfilm Dirty Dancing wurden mit viel Schwung auf die Bühne gebracht – was einmal im Slapstick steckenblieb, das andere Mal über die ironische Filmhommage hinaus zur Studie übers Erwachsenwerden führte.
Seraina M. Sievi, Studentin an der Theaterhochschule Zürich, die den diesjährigen Regiepreis erhielt, setzt in ihrer Inszenierung nach Stanislaw Lems Erzählung „Sterntagebücher“ auf Humor. Die junge Regisseurin schraubt das Bedrohliche und Beängstigende der Begegnung eines Astronauten mit sich selbst auf ein Mindestmaß zurück und lässt die drei Darsteller lieber ausgiebig mit der Schwerelosigkeit kämpfen.
Mit schweren Schritten stapfen sie über die Bühne, ein Staubsaugerrohr lässt ihre Overalls effektsicher zum Raumanzug aufblähen. Plötzliche Gravitationsumschwünge werfen die verdreifachten Ichs in bizarren Verrenkungen umeinander. Das ist nett anzuschauen und könnte ewig so weitergehen. Tut es aber glücklicherweise nicht, denn ein weiteres Stück steht auf dem Programm, Dreckig Tanzen von Susanne Zaun. Hier herrscht zwar auch das Prinzip der Wiederholung, aber es ist eine, die irritiert. Dass Susanne Zaun an der innovationsfreudigen Theaternachwuchsschmiede Uni Gießen studiert, merkt man sofort. Aus dem Off ertönen versetzt immer wieder dieselben Sätze, die beginnen: „Es war im Sommer 63. Alle nannten mich Baby.“
Das Prinzip der sich überlappenden oder synchron sprechenden Stimmen verfolgen dann konsequent auch die vier Darstellerinnen. Sie sprechen die platten Filmdialoge aus Dirty Dancing so monoton und ohne Gefühlsregungen nach, dass aus der romantischen Liebesschnulze zwischen einer braven Jugendlichen und einem etwas anrüchigen Tanzlehrer absurdes Theater entsteht. Garniert mit Zitaten aus Internetforen oder Erfahrungsberichten zum Kultfilm, kommt die dichte Inszenierung ganz ohne Tanzszenen und Musik aus. Und zum Schluss wird‘s sogar richtig schön dreckig.
Karin Liebe