tagesschau.de soll expandieren: NDR sagt Verlegern den Kampf an
Dagegen haben die Verleger erbittert gekämpft: Der Rundfunkrat des NDR gibt grünes Licht für den Ausbau von tagesschau.de als eigenständiges Nachrichtenportal.

Soll künftig mehr sein, als nur ein Nachklapp der Fernseh-Tagesschau: tagesschau.de. Bild: screenshot tagesschau.de
HAMBURG dpa | Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat seinem Online-Angebot tagesschau.de zu einem entscheidenden Schritt nach vorn verholfen. Der NDR-Rundfunkrat befürwortete in dem zur Genehmigung notwendigen Drei-Stufen-Test, tagesschau.de ohne Einschränkungen zu genehmigen. Die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger protestierten und appellierten an die Politik, gegen die Entscheidung des NDR-Rundfunkrats einzuschreiten.
Der Rundfunkrat vertrat in der am Freitag bekanntgewordenen Beschlussvorlage vom 4. Dezember 2009 die Auffassung, dass "der qualitative publizistische Beitrag von tagesschau.de die negativen Auswirkungen auf die Wettbewerber deutlich überwiegt". Denn sollte tagesschau.de eingestellt werden, könnten die kommerziellen Nachrichtenportale ihre Werbeerlöse lediglich um 3,9 Prozent steigern, zitierte Spiegel Online aus einem für den Drei-Stufen- Test erstellten Gutachten – "kein nennenswertes zusätzliches Erlöspotenzial", heißt es darin weiter.
Der NDR-Rundfunkrat empfiehlt daher, das Angebot als "nichtsendungsbezogenes Telemedium" zu genehmigen, es wäre damit von vielen Einschränkungen durch den Rundfunkstaatsvertrag befreit. Damit könnte tagesschau.de kräftig expandieren. Die Rundfunkräte der anderen Landesrundfunkanstalten müssen noch zustimmen. Über die seit Ende Dezember vielfach diskutierte und umstrittene "Tagesschau"-App für Smartphones wird nichts gesagt.
Alle Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender müssen laut 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bis zum 31. August 2010 dem Drei-Stufen-Test unterzogen werden. Er prüft die Online-Angebote auf ihre Finanzierbarkeit, ob sie den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen und in welchem Umfang sie in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beitragen.
Die Verleger protestierten. "Die jetzt öffentlich gewordene Vorlage des NDR-Rundfunkrates über einen Ausbau von tagesschau.de ist eine Kampfansage an alle frei finanzierten Medien", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Wolfgang Fürstner. "Die Zeitschriftenverleger werden diese Grenzüberschreitung der ARD nicht akzeptieren und alle politischen und rechtlichen Mittel dagegen in Bewegung setzen."
In einem Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), der die Rechtsaufsicht für den NDR-Rundfunkrat hat, bat Fürstner um eine Prüfung und ein Einschreiten gegen die NDR-Pläne.
Als "absolut unglaublichen Vorgang" bezeichnete Dietmar Wolff, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), die NDR-Pläne. Damit würden wichtige Vorgaben des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags unterlaufen.
Nach den langwierigen Auseinandersetzungen um die Expansion des mit Gebührengeldern finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet zulasten der privatwirtschaftlich agierenden Medien sollte der Drei-Stufen-Test zu einem vernünftigen Interessenausgleich zwischen Sendern und Presse führen, wie er sagte.
Der BDZV-Hauptgeschäftsführer kritisierte insbesondere, dass der NDR versuche, durch simple Umfirmierung von tagesschau.de zu einem "multimedialen Angebot" die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags auszuhebeln. tagesschau.de solle danach ein eigenständiges Angebot sein, das ohne Verweis auf die konkrete Begleitung einer Sendung im Internet alles anbieten dürfe. Hinzu kämen der zeitlich praktisch unbegrenzte Zugriff auf Inhalte im Netz sowie eine üppige Aufstockung der Finanzierung aus Gebührengeldern um 50 Prozent binnen vier Jahren.
Zum Jahreswechsel war es zu hitzigen Diskussionen zwischen der ARD und den Verlegern gekommen, als die fürs erste Quartal 2010 geplante Einführung eines Smartphone-Apps der "Tagesschau" bekannt wurde. Die Verleger warfen der ARD vor, mit Gebührengeldern Geschäftsmodellen der Privatwirtschaft Konkurrenz machen zu wollen.
Die Axel Springer AG hatte Anfang Dezember kostenpflichtige Apps für Bild und Welt gestartet. Nach Ansicht von Martin Stadelmaier, Chef der Mainzer Staatskanzlei und einer der Väter des Drei-Stufen-Tests, muss für eine App nicht eigens ein solcher Test in Gang gebracht werden, sie sollte aber beim Test von tagesschau.de mit einbezogen werden.
Leser*innenkommentare
neo
Gast
das wurd auch zeit, obwohl bild und welt natürlich weiterhin stört...
Lob
Gast
Alles was dem Spiegel an den Kragen geht, ist gut.
Also weiter so.
Bernd
Gast
Der Medienkonsum verlagert sich insbesondere bei der jüngeren Generation immer mehr ins Internet bzw. fast ausschließlich.
Da ist es nur konsequent, daß die ARD dorthin geht wo die Konsumenten sind. Der Begriff "Rundfunk" wurde zwar in den 50ern definiert, aber ich denke es geht hier nicht um den enggefassten Begriff (Radio, TV) sondern die technische Möglichkeit breite Massen der Bevölkerung mit dem Programm zu erreichen.
Diese Platform ist heute eben das Internet, da gehören dann auch die öffentlich-rechtlichen Medien hin. Gut so!
den AbGEZockten
Gast
Mal sehen was in dem Beitrag fehlt:
- Geld, viel Geld, viele Milliarden Euro an GEZ-Zwangsgebühren,
- Leute, die für diesen Filz und Dreck kein Geld zahlen wollen, nur weil Telefone und Computer vom Filz zu Rundfunkempfängern erklärt wurden.
Wie wäre es, wenn die taz zur Abwechslung mal Zahlen präsentiert, etwa Springers Umsatz durch den Zeitungsverkauf gegenüber den Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (GEZ-Zwangsgebühren, Werbung, Finanzmarkt, Rechteverwertung)?
Puzi
Gast
Eine Untersuchung der Füchse hat ergeben, dass kein Fuchs am Überfall auf den Hühnerstall beteiligt war...