: Senat auf’s Neue gelähmt
Der Streit um 300.000 Euro für das Neue Museum Weserburg legt die Schwäche der „neuen“ großen Koalition offen: In der SPD wird nach einer neuen Politik gesucht, die CDU spielt „weiter wie bisher“
Bremen taz ■ Eine „Lähmung“ der Politik des Senats hatte vor knapp einem Jahr der Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen mit dem SPD-Vorsitzenden Carsten Sieling festgestellt, Unsicherheit präge die Lage. Ein „weiter wie bisher“ gehe nicht. Der Senat müsse die Konsequenzen aus dem Ende der Hoffnungen auf neue Finanzhilfen ziehen, die Verfassungsgerichtsklage „unverzüglich“ vorbereiten. Die große Koalition habe „keine Berechtigung“, formulierten die beiden SPD-Politiker, wenn sie nicht in der Lage sei, „die Herausforderungen zu meistern“.
Der Vorstoß zielte auf Henning Scherf, Böhrnsen löst ihn schließlich als Bürgermeister ab, Sieling rückte als Fraktionsvorsitzender nach – aber „weiter wie bisher“ ist dennoch der beherrschende Eindruck. In der vergangenen Woche wurde die Problemlage sehr deutlich, als mehrere finanzwirksame Entscheidungen in letzter Minute blockiert wurden – darunter so unterschiedliche Dinge wie der Umbau der Kreuzung Altenwall/Tiefer und die von der Kulturdeputation schon durchgewunkene Finanzspritze für das Neue Museum Weserburg.
Das neue Duo an der Spitze der SPD, Sieling und Böhrnsen, wollen offenbar ernst machen mit den juristisch zwingenden Konsequenzen einer offiziellen „Haushaltsnotlage“: Nur noch Ausgaben, die zwingend erforderlich sind, dürfen getätigt werden. Verschönerungs-Bauvorhaben werde es nicht mehr geben, hatte Sieling erklärt. Mit dem Bausenator scheint es bislang keine Verständigung darüber gegeben zu haben, was das bedeutet. Oder wie ernst er das neue Duo Sieling/Böhrnsen nehmen muss.
Im Falle des Neuen Museums Weserburg (NMWB) geht es „nur“ um 300.000 Euro. Dem neuen Museumsleiter wollte der scheidende Staatsrat im Rathaus, Reinhard Hoffmann, einen sauberen Start ermöglichen, 150.000 Euro Altschulden begleichen und 150.000 Euro Marketingmittel zukommen lassen.
Die werden dringend benötigt: Im Jahre 2004 lag die Besucherzahl des Museums „auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre“, heißt es im Bericht, nur 2,2 Prozent der Kosten des Museums werden durch Eintritte gedeckt. Pro Besucher legt der Steuerzahler 51 Euro oben drauf. Mit 1,62 Euro Eintritt liegen die durchschnittlichen Einnahmen aus verkauften Tickets deutlich unter dem ermäßigten Eintritt, weil offenbar viele unentgeltlich ins Museum kommen. Das erklärt die aufgelaufenen Defizite und begründet den Bedarf an einem Marketingkonzept. Bezahlt werden sollten die 300.000 Euro aus dem Topf „Projektmittel Kulturhauptstadt“.
Und da fängt das Problem an. Denn wenn Projektmittel, aus denen Impulse für die Kulturszene finanziert werden sollen, derart zum Stopfen von strukturellen Löchern missbraucht werden, diskreditiert das die Idee der Projektmittel. Und notwendig zur Sanierung des Landes Bremen ist das Ganze auch nicht – rein verfassungsrechtlich gesehen darf Bremen für solche Dinge keine „Investitionsmittel“ ausgeben, also keine neuen Kredite aufnehmen. Falls Bremen wirklich einmal vor dem Bundesverfassungsgericht klagen sollte, wird derartiges Ausgabe-Verhalten als Beweis für „selbstverschuldete“ Anteile an der Haushaltsnotlage gewertet.
Dass die Geldausgaben in letzter Minute gestoppt wurden, kann also als Zeichen dafür gewertet werden, dass es nicht „weiter so wie bisher“ gehen soll. Aber es gibt keinen Konsens über die neue Linie und keinen Steuermann dafür. Der CDU-Bausenator „muss sich endlich den finanzpolitischen Realitäten stellen“, sagt Sieling. Hartmut Perschau, der CDU-Fraktionsvorsitzende, poltert: „Ohne sachliche Begründung“ und „haltlos“ sei das Vorgehen der SPD-Seite.
Wie formulierte noch ein gewisser Jens Böhrnsen im Januar 2005? In ihrem aktuellen Zustand sei die Koalition unter Scherf „schwerlich in der Lage, die Herausforderungen zu meistern“. Klaus Wolschner