Linie 4 nach Lilienthal: Planung mit "offenkundigem Mangel"

Das Oberverwaltungsgericht meldet zwar Zweifel am Bedarf einer Straßenbahn in Lilienthal an. Die Klagen der dortigen Anwohner wiesen die Richter dennoch ab

Die Bremer wollen schnell mit der Tram nach Lilienthal. Die Lilienthaler sind sich da nicht so einig Bild: kawe

Auf den ersten Blick ist das Urteil eindeutig: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Klagen gegen den Ausbau der Linie vier nach Lilienthal als "in wesentlichen Punkten unbegründet" abgewiesen. Doch zwischen den Zeilen wird klar: Die Richter haben erhebliche Zweifel am konkreten Bedarf dieser Straßenbahn. Nur sei das OVG eben "nicht befugt", die Entscheidungen der Behörden "zu ersetzen". Auch wenn deren Planfeststellungsbeschluss unter einem "offenkundigen Mangel" leide, wie es in dem Urteil heißt.

Laut einer neueren Prognose dürften an jedem Werktag des Jahres 2015 rund 4.800 Menschen in der Straßenbahn zwischen Borgfeld und Lilienthal sitzen. Das sind in etwa so viele wie anderswo in der Stadt - kurz vor einer Endhaltestelle. Das aber rechtfertige "nicht unbedingt" den Bau einer Straßenbahn, sagten in die Richter in der mündlichen Verhandlung. Und so haben die Behörden denn auch mit älteren Zahlen operiert, die noch von täglich 6.700 TrambahnnutzerInnen ausgingen. Die aber standen unter der Voraussetzung, dass die beiden Regionalbuslinien - sie verbinden Zeven sowie Worpswede und Gnarrenburg mit Bremen - nur noch bis Lilienthal fahren. Und nicht weiter bis zum Hauptbahnhof. Davon ist jetzt keine Rede mehr, die Linien bleiben, wie sie sind.

Die Bedarfsprognose sei damit "nicht hinreichend aktuell und transparent", urteilen die Richter. Andererseits sei nicht zu erkennen, dass die Entscheidung "bei rechtzeitigerer Berücksichtigung der Prognose" anders ausgefallen wäre. Soll heißen: Der politische Wille zum Ausbau der Linie vier ist eindeutig, ganz egal, wie die Fahrgastschätzungen im Detail ausfallen mögen.

Die 5,5 Kilometer lange Strecke zwischen dem bremischen Borgfeld und dem Falkenberger Kreuz am Ortsende des niedersächsischen Lilienthal soll etwa 50 Millionen Euro kosten und 2012 fertig gestellt sein. Den Bau beschlossen haben die Bremer aber schon 1990. Laut einer Umfrage von 2003 sind zwar auch gut zwei Drittel der LilienthalerInnen für das Projekt. Zwölf Anwohner klagten dennoch. Sie wehren sich gegen ihre teilweise Enteignung, fürchten Schäden an ihren Häusern durch die Erschütterungen einer Straßenbahn sowie deren Lärm.

Und zumindest in dem letzten Punkt bekamen die Kläger teilweise recht. "Hier wird die Behörde nachbessern müssen", so das Urteil. Bislang sind für weit über 400 Gebäude entlang der Strecke passive Lärmschutzmaßnahmen nötig, also etwa lärmschutzverglaste Fenster. Nun hat das Gericht entschieden, dass auch dort, wo die Grenzwerte erst durch die Summe aus Straßen- und Schienenlärm überschritten werden, geprüft werden muss, ob passiver Lärmschutz bezahlt werden muss.

Die Klägeranwälte Martin und Heinrich Niewerth zeigten sich von dem Urteil "überrascht" und "enttäuscht": Es entspreche nicht dem Verlauf der Verhandlung. Doch eine Revision hat das OVG nicht zugelassen, möglich ist nur eine Beschwerde gegen deren Nicht-Zulassung beim Bundesverwaltungsgericht. Doch selbst wenn sich die Kläger dazu entschließen: Mit dem Bau der Tram kann jetzt begonnen werden.

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