Reaktionen auf Vorratsspeicher-Urteil: Piraten und Datenschützer zufrieden

Datenschützer verlangen, nun auch Datenweitergaben wie beim Swift-Abkommen zu prüfen. Piraten sprechen von "schallender Ohrfeige" für Gesetzgebung. Provider fürchten hohe Kosten.

Der Datenkrake auf der Spur: Piratenpartei-Stand vorm Verfassungsgericht. Bild: reuters

BERLIN/KIEL dpa/apn | Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung voll zufrieden. "Das Bundesverfassungsgericht hat hier wirklich die Argumentation der Datenschützer übernommen", sagte Thilo Weichert. Das höchste deutsche Gericht hatte die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Strafverfolgung für unzulässig erklärt.

Im Lichte des Urteils müssten jetzt weitere Entscheidungen und Pläne auf nationaler und europäischer Ebene noch einmal überprüft werden, sagte Weichert. Dazu gehöre das Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten. "Es ist zwar außer Kraft gesetzt worden, steht aber weiter in der Diskussion". Ein weiteres Beispiel sei das Abkommen mit den USA zur Übermittlung von Fluggastdaten. Hier sei zu klären, ob zu viele Daten erfasst und weiterverarbeitet werden.

"Das Urteil des Verfassungsgerichts hat also Auswirkungen weit über die Frage der Verbindungsdaten in der Telekommunikation hinaus", sagte der Kieler Datenschützer. So müsse auch die EU-Richtlinie hinterfragt werden. "Denn die gesetzliche Regelung bei uns basiert ja auf der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Am besten wäre es natürlich, wenn der Europäische Gerichtshof sich dem Bundesverfassungsgericht anschließen würde."

Piraten zufrieden

Auch die Piratenpartei begrüßt den Urteilsspruch. "Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die bürgerrechtsfeindliche Gesetzgebung der letzten Jahre", sagte der Vorsitzende, Jens Seipenbusch. Jetzt gelte es dafür zu sorgen, dass die entsprechende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unrechtmäßig erklärt werde. Das Urteil zeige auch, dass die Piraten im Kampf für die Bürgerrechte als Gegenpol zu den etablierten Parteien dringend benötigt würden, sagte Seipenbusch.

Der hessische Innenministers Volker Bouffier (CDU) will das Gesetz nun nachbessern. Einen völligen Verzicht auf Datenspeicherung sieht Bouffier kritisch: "Wenn man das Grundrecht der Bürger auf effiziente Kriminalitätsbekämpfung oder Gefahrenabwehr nicht aufgeben will, dann ist Datenspeicherung in engen Grenzen in Deutschland und Europa notwendig", sagte Bouffier.

Provider erwarten hohe Kosten

Die deutsche Internetwirtschaft ist gespalten über das Urteil. Eine Sprecherin des Branchenverbands eco, Marita Strasser, beklagte, für die Internetprovider bedeute das Urteil voraussichtlich hohe Kosten.

"Es wird wahrscheinlich ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geben, das hohe Anforderungen an die Datensicherheit und damit auch hohe Kosten mit sich bringen wird", sagte Strasser. Doch sei mit einer Kostenerstattung für die Unternehmen wohl nicht zu rechnen. Dies könne Preissteigerungen für die Nutzer von Internetzugängen zur Folge haben und bedeute einen Standortnachteil für Deutschland.

Der Präsident des Hightech-Verband Bitkom begrüßte dagegen die Entscheidung. Es trage den Sorgen vieler Internet- und Telefonkunden Rechnung, sagte Verbandspräsident August-Wilhelm Scheer am Dienstag auf der Cebit in Hannover. "Wir dürfen das Vertrauen der Nutzer in den Schutz ihrer Privatsphäre nicht gefährden."

Scheer macht sich allerdings ebenfalls Sorgen über die Kosten. Er forderte die Bundesregierung auf, die Kosten für die Speicherung zu übernehmen. Die Unternehmen blieben derzeit auf ihren Investitionen in die öffentliche Sicherheit sitzen.

Bereits bei der Verabschiedung des nun vom Bundesverfassungsgericht kassierten Gesetzes hatte die Branche die Kosten allein für die Anschaffung der notwendigen Speichertechnik auf rund 332 Millionen Euro beziffert. Hinzu kämen die Wartungskosten für die Systeme. Nach Angaben des Verbands eco sind bis zu 6.000 Unternehmen von der Speicherpflicht betroffen. Vor allem für kleine und kleinste Unternehmen könnten die zusätzlichen Kosten existenzbedrohend sein, heißt es.

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