Video der Woche: Der Tanz mit der Maschine
Die Videos von OK Go wurden schon von den Simpsons parodiert. Mit „This Too Shall Pass“ zeigen sie, wie virales Marketing funktioniert – und legen sich mit EMI an.
Den großen Musiklabels geht es schlecht. Keiner will mehr CDs kaufen, heißt es, Schuld sei das Internet. Dass Marketing im Netz anders funktioniert, hätten die großen Labels noch gar nicht verstanden, meint die amerikansiche Indieband OK Go. In ihrem neuen Video zeigen sie, wie man durch bewussten Kontrollverlust Erfolg haben kann: Virales Marketing nennt sich das. Soziale Netzwerke werden mit einem Produkt infiziert, dann hofft man auf die Epidemie.
Als Bild für virales Marketing benutzt die Band im Clip zu „This Too Shall Pass“ eine Rube-Goldberg-Maschine; eine komplexe Installation, die eine einfache Aufgabe auf umständliche bis groteske Weise löst. Im Video verursacht so ein kleiner Rennwagen eine riesige Kettenreaktion: Bandmitglieder werden durch die Gegend geschleudert, ein Fernseher mit einem Hammer zerhauen und das halbe Inventar zerstört. Die Wirkung der eigenen Botschaft ist im Netz kaum abzusehen, so die Idee. Was heißt das fürs Marketing?
„Wir wollten eine riesige Maschine, mit der wir tanzen können“, sagt Sänger Damian Kulash in einem Making-Of Video. „This too shall pass“ ist damit die gigantische Fortsetzung des berühmten Laufband-Videos, mit dem der Maschinen-Tanz der Band OK Go begann. Das Video zur Single „Here it goes again“ zeigte 2006 die vier Bandmitglieder, wie sie auf sechs Laufbändern tanzten – und wurde prompt in einer "Simpsons"-Episode parodiert. Die YouTube-Seite der Band ist seitdem knapp 50 Millionen Mal aufgerufen wurden.
Doch OK Go will mehr sein als ihre Videos, heißt es auf ihrer Homepage: "We're trying to be a DIY band in a post-major label world" – selbermachen, weil die großen Labels es nicht besser können. Sänger Damian Kulash schrieb dazu einen Artikel in der New York Times: Das Laufband- Video hätten sie damals ohne die Erlaubnis ihres Labels gedreht und auf YouTube gestellt. Am Schluss hätten alle von dem Erfolg profitiert, so Kulash. Doch EMI wollte ein Stück von dem YouTube Kuchen abhaben. Seitdem zahlt YouTube pro Video-Stream einen kleinen Betrag an das Label.
Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Da es jedoch nur Geld für jeden Stream auf der YouTube-Seite gibt, darf die Band die Videos nicht mehr auf ihrer Homepage einbinden. „Aber so funktioniert das Internet nicht“, schreibt Kulash in der NYT: „Danach wurde das Laufband-Video nur noch von 1.000 Leuten am Tag geschaut, davor waren es 10.000.“ EMI erhält für jeden Stream nur ein paar hundertstel Cent. Das sei „gierig und kurzsichtig“ und würde sich dabei nicht einmal lohnen, so Kulash. Große Labels seien nur noch für das Startkapital gut. Falls sie die grundlegenden Mechanismen des Netzes nicht akzeptieren, werden sie aussterben.
Ein Virus stirbt nicht so einfach aus. Der Aufmerksamkeitskampf im Internet funktioniert wie eine Krankheit und ist kaum zu kontrollieren. Entweder man lässt sich darauf ein oder geht sterben, so OK Go's Botschaft. Am Schluss des Videos bekommt die Band eine Salve aus Farbkanonen ins Gesicht. So ist sie, die Maschine.
Leser*innenkommentare
source83
Gast
Die legen sich mit EMI an?? Das soll wohl ein Witz sein...da waren ja Sigue Sigue Sputnik noch "gefährlicher".
Im Übrigen ist die Musik -im modernen Jargon ausgedrückt- ziemlich lame. Das Video ebenfalls.
Sturm im Wasserglas.
2012
Gast
Ich finde das eigentlich ganz cool (ohne dass es "meine Musik" wäre). Geht ja nicht nur um das, was man sieht, sondern das Zusammenspiel zwischen Effekten und Rhythmus, Kameraführung, Bewegung/Platzierung der Akteure... ein verpasster Einsatz (z.B. bei 01.26 min) oder fehlgeschlagener Effekt und man dürfte von vorne anfangen (zusammengeschnitten wirkte das Video auf mich nicht unbedingt). Konstruiert erst mal eine Kettenreaktion, die immer aufwendiger wird und nach knapp 4 Minuten noch "im Takt" läuft.. Danach nörgelt von mir aus weiter
Floh
Gast
Das erste Video zu "This too shall pass", das mit der Marching Band gefällt mir wesentlich besser...
Martin Zeise
Gast
Bitte nochmal den NYT-Artikel lesen: "$.004 to $.008 per stream" bedeutet dann wohl doch ein paar zehntel (und nicht hundertstel) Prozent.
MvD SmR
Gast
Sehr sehr nettes Video
jedoch hat dieses lied - meiner meinung nach - zu viel ähnlichkeit mit mr. brown von bob marley and the wailers um nicht geklaut geworden zu sein.
Castro
Gast
Zum Video: Ich sag nur Fischli & Weiss "Der Lauf der Dinge", 1987.
kosta
Gast
langweilige sixtie-revival-musik und das mit der farbenballerei bei der künstlerin niki de st. phalle geklaut.
kitsch hoch drei!
John Branca
Gast
Legten sich mit EMI an?
Das inszenieren von Streit mit dem bösen Majorlabel gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire jedes "rebellischen" / "authentischen" Acts.
Und noch immer fallen Journalisten darauf rein!
Das "virale Marketing" findet
1) mit Erlaubnis von EMI statt und wird
2) von einer Versicherung finanziert.
Anstatt oberflächliche Artikel aus diversen Quellen umzuschreiben, hätte Herr Dörfler lieber mal recherchieren sollen, wie das Geld von State Farm zwischen Band und EMI verteilt wird.