WAS BISHER GESCHAH (7)
: Zurück in den Brunnen!

Dass die Italienerinnen heutzutage alle ihr Haar blond färben, erzählt die legendäre Filmblondine, könne sie auch nicht verstehen.

Zeit ihres Lebens ist Anita Ekberg diese Szene nicht mehr losgeworden: Nach einem nächtlichen Streifzug durch die verlassenen Straßen Roms springt die junge, blonde Schönheit im Abendkleid in den Trevi-Brunnen. Ihr Verehrer folgt ihr zögernd unter den Wasserfall, stammelt romantisch einige Worte, und just in diesem Moment verstummt das Rauschen der künstlichen Fontäne. Die Liebenden stehen beklommen im Brackwasser des Brunnens. Es wird Tag.

Am Mittwochabend war die mittlerweile 81-jährige Filmikone aus Federico Fellinis Kinoklassiker „La Dolce Vita“ (1960) beim Berlinale Talent Campus zu Gast, um sich von jungen Filmschaffenden über die Anfänge ihrer Karriere und ihre Arbeit mit Regisseuren wie Fellini oder Luchino Visconti befragen zu lassen.

Januar sei es gewesen, als sie die Szene im Brunnen drehte, erzählt die schwedische Schauspielerin. Das Wasser sei so kalt gewesen, dass ihr Filmpartner Marcello Mastroianni erst nach einer Flasche Wodka und einem „Move your ass!“ von Fellini zu ihr in den Brunnen stieg. Dann fiel er hin, so besoffen sei er gewesen. „Dreimal!“, ruft Ekberg amüsiert ins Publikum und schüttelt sich vor Kälte. „Und ich stand die ganze Zeit unter dem Wasserfall!“

Es sind die Anekdoten, die man von einer Filmlegende hören möchte. Vom Heiratsantrag Frank Sinatras erzählt sie, von ihrer Freundschaft mit Audrey Hepburn und dem charmanten Fellini. Doch immer wieder driftet Ekberg ab – mit der Leichtigkeit einer alten Dame, die den Ernst des Lebens hinter sich gelassen hat. Mal bewundert sie den schönen Theatersaal des Berliner Hebbel-Theaters, mal wünscht sie dem hüstelnden Mann in der ersten Reihe gute Besserung oder verliert sich im Früher-war-alles-besser. „Die Welt hat sich verändert. Die Menschen kümmern sich nur noch um sich selbst.“ Und dass die Italienerinnen heutzutage alle ihr Haar blond färben, erzählt die legendäre Filmblondine, könne sie auch nicht verstehen. Der etwas steife Moderator, der britische Filmhistoriker Peter Cowie, hat alle Mühe, seinen vorbereiteten Fragenkatalog abzuarbeiten. „Sorry, Peter!“, entschuldigt sich Ekberg. „Ich schweife ab. Zurück in den Brunnen!“

Am Ende überlässt Cowie dem Publikum die Regie. Eine junge Filminteressierte will von Ekberg wissen, wie sie denn mit den Anweisungen Fellinis umgegangen sei, der ihr ja stets viel schauspielerische Freiheit gelassen habe, sie sogar ganze Dialoge frei improvisieren ließ. Ekberg lehnt sich ein Stück vor: „Habe ich da etwas von einem Flirt mit Fellini verstanden?“, fragt sie lachend ins Mikrofon. „Nein, nein, der war nicht mein Typ.“

JANNIS HAGMANN