Gentrifizierung: Vorsicht "Kommunisten"

Eine Flugblatt-Kampagne gegen die Initiative No BNQ bemüht die Rhetorik des Kalten Krieges. Der Pressesprecher der Investoren half mit Formulierungstipps aus.

Angst vor einer neuen Hafenstraße: Einige Anwohner wollen, dass die Investoren Köhler & von Bargen in der Bernhard-Nocht-Straße aufräumen. Bild: dpa

Der Ton erinnert an die Presse-Kampagnen aus der Zeit der Studentenproteste in den 60er Jahren: "Kommunisten arbeiten mit Sanierungsgegnern jetzt offen zusammen" ist ein Flugblatt der Initiative Pro Bernhard-Nocht-Quartier überschrieben - einer Bürgerinitiative, die gerne möchte, dass die Firma Köhler & von Bargen den so benannten Immobilien-Komplex auf St. Pauli modernisiert und verdichtet. Sie diffamiert damit die Initiative No BNQ, die gerade diese Verwertung eines alten Teils von St. Pauli verhindern will.

Beide Initiativen nehmen jeweils für sich in Anspruch, die Interessen der AnwohnerInnen wahrzunehmen: Die Pro-Initiative will, dass Köhler & von Bargen schnell sanieren und die Straße bald weniger schmuddelig aussieht. Das Versprechen, die Mieten in den sanierten Altbauwohnungen für zehn Jahre bei 6,50 Euro zu belassen, genügt ihr. Dass 80 Eigentumswohnungen hinzu kommen sollen, und damit solvente Bewohner zuziehen werden, schreckt sie nicht.

No BNQ dagegen befürchtet, dass das Investoren-Projekt die rasante Veränderung auf St. Pauli beschleunigen wird. Wer hierher zieht, ist bereit, selbst für schlechte Wohnungen hohe Mieten zu bezahlen. Neubauten, wie auf dem ehemaligen Gelände der Bavaria-Brauerei verändern das Gesicht des Stadtteils. Für das bunte, oft auf prekärer Basis lebende Völkchen im Stadtteil wird es immer schwerer, sich das Leben hier zu leisten. No BNQ will das Immobilienpaket Köhler & von Bargens deshalb über eine Genossenschaft kaufen. Die Verhandlungen laufen.

Während No BNQ eine Versammlung mit einigen hundert Leuten auf die Beine stellte, ist unklar, was es mit der Initiative Pro Bernhard-Nocht-Quartier auf sich hat. Bei einer Versammlung in der Kneipe Sailors Inn vergangenen November brachte die Gründerin Karin Lang nur drei Leute zusammen. Angeblich stehen 25 Anwohner dahinter.

Sicher ist, dass Langs Lebensgefährte Peter Krause im Sailors Inn dabei war. Krause macht Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Köhler & von Bargen. Er räumt ein, dass sich der Eindruck aufdrängt, die Sache habe ein "Gschmäckle", beteuert aber, er sei "nicht aktiv in der Initiative Pro Bernhard-Nocht-Quartier". Weil Lang nun mal seine Lebensgefährtin sei, habe er ihr mal beim Formulieren der Flugblätter geholfen. "Inhaltlich kommt das alles von der Initiative selbst", versichert er.

Der Inhalt klingt schwer nach den Ressentiments, wie sie in den 60er Jahren einmal die Bild-Zeitung schürte. "Allein an den studentischen Schnacks, die hier vorher keiner verstanden hat, wie zum Beispiel ,Gentrifizierung', lässt sich erkennen, welch Geistes Kind hinter diesem ,Protest' steht", heißt es da. Zugezogene Kleinstadtpunks und linke Studenten, die ihre Ideologie verbreiten wollten, gäben sich als St. Paulianer aus.

Eine Unternehmerin wird namentlich genannt: "Wie sie dem Management der Großkonzerne, die zu ihren Geschäftskontakten zählen, erklären will, dass sie in der Bernhard-Nocht-Straße den Aufstand probt, bleibt sicher ihr überlassen", kommentiert ein Flugblatt ihr Engagement bei No BNQ. Die Ideen der AnwohnerInnen, was aus dem Quartier zu machen wäre, werden als Spinnerei abgetan, ihre Visualisierung in künstlerischen Skizzen als Kinderzeichnungen.

Letzten Endes plagt die Pro-Initiative die Angst vor einer zweiten Hafenstraße: "Wir alle erinnern uns daran, wie lange die ,Sanierung' der Hafenstraßenhäuser gedauert hat", heißt es in einer Mitteilung an die Nachbarn. Es drohten "mindestens zehn Jahre Baudreck und alternativer Arbeitsgeschwindigkeit". Im Zweifel würden die "freundlichen jungen Männer mit Springerstiefeln und Bierdosen aus dem Schanzenviertel" das Alternativprojekt durchboxen. Dabei geben die Autoren im folgenden Satz den zivilen Charakter des No BNQ-Projekts zu: "Viele der bisherigen Akteure haben einen persönlichen Ruf zu verlieren und sind namentlich bekannt."

Der eingangs zitierte Satz mit den Kommunisten bezieht sich übrigens darauf, dass die Partei Die Linke dem Senat vorgeworfen hat, eine "aktive Politik der Verdrängung zu betreiben".

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