Sozialsenator Wersich über Kita-Gebühren: "Familien loben unser System"

Sozialsenator Wersich (CDU) hält die Erhöhung für verkraftbar. Die Proteste seien eine Folge von Fehlinformationen. Eltern aus dem Umland drängten nach Hamburg.

Mütter in Hamburg, die einen Job haben, bekommen einen Gutschein für den Krippenplatz. Bild: dpa

taz: Herr Wersich, Sie erhöhen die Kita-Gebühren. Eltern mit höheren Einkommen zahlen bis zu 100 Euro mehr. Drängen Sie Familien aus der Stadt?

Dietrich Wersich: Überhaupt nicht. Alle Familien aus dem Umland drängen nach Hamburg in das Kita-Gutschein-System und sind ganz traurig, weil ihre Kommunen genau das, was sie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf brauchen - Ganztagsplätze im Krippenbereich - nicht haben. Wenn etwas Familien in Hamburg hält, dann die Chancen durch die Kinderbetreuung.

Auch Umlandgemeinden bauen Kinderbetreuung aus.

Ja. Aber es gibt in Deutschland nirgendwo sonst ein maßgeschneidertes Angebot zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Hamburg bietet einen Rechtsanspruch ab Geburt des Kindes für bis zu zwölf Stunden täglich. Die Kunst ist ja nicht, einen Vier-Stunden-Platz zu bieten. Die Kunst ist, dafür zu sorgen, dass jemand, der zehn Stunden braucht, das auch kriegt. Familien, die nach Hamburg ziehen und woanders Kinderbetreuung kennen gelernt haben, loben unser System.

Populär sind Sie nicht. Es gibt hier 25 Millionen Euro für die Schlaglöcher, dort 30 Millionen Euro für Büchergeld und kleine Klassen. Nur der Wersich spart.

ist Allgemeinmediziner, und Senator für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz.

Schön wär's. Wir werden auch in 2010 über 20 Millionen Euro mehr für Kitas ausgeben als es im Haushalt veranschlagt ist, insgesamt über 450 Millionen. Und ich bin sicher, in Zukunft wird aus Steuermitteln mehr Geld für Kitas aufgewendet.

Die Kita-Beiträge in Hamburg waren ja schon hoch.

Nein.

Ein Ganztagsplatz 400 Euro.

Man muss vorsichtig sein, weil die Systeme unterschiedlich sind. Andere Länder haben keine vergleichbare soziale Staffelung, da zahlen alle Eltern das gleiche. Da können sich teilweise Hartz-IV-Empfänger keinen Kita-Platz leisten. Auch wenn die Höchstsätze höher sind, so zahlt die Hälfte aller Kinder nur die niedrigen Mindestsätze. Hamburg trägt 80 Prozent der Kosten.

Trotzdem, eine Familie mit 4.000 Euro Einkommen soll 500 Euro für den Ganztagsplatz zahlen. Die fehlen bei Miete und so. Beachten Sie, wie teuer Leben mit Kindern in Hamburg ist?

Ja. Und bisher zahlt die Familie mit 3.000 Euro Netto-Einkommen genauso viel wie mit 4.000 Euro. Jetzt war die Frage, erhöhen wir für alle? Oder nur bei denen, die bisher nicht mehr zahlen mussten, obwohl sie mehr verdienen. Wenn die Familie mit 4.000 Euro - plus Kindergeld - glaubt, nicht für 500 Euro das Kind in die Ganztagskita schicken zu können, was soll dann die Familie mit 3.000 Euro sagen, die 400 Euro für den Platz zahlt. Dass die Familie, die 1.000 Euro mehr hat, wegen 100 Euro die Stadt verlässt, geht mir nicht in den Kopf. Viele Eltern wissen gar nicht, was ein Krippenplatz kostet. Selbst der Höchstsatzzahler bekommt vom Steuerzahler noch 600 Euro dazu.

Warum zahlt die Familie mit 5.000 Euro nicht noch mehr?

Sie sehen ja jetzt schon die Aufregung, wenn wir die Einkommensgrenzen anheben. Gingen wir noch höher, wäre der Effekt zudem nicht sehr groß.

Haben Sie die Proteste unterschätzt?

Es regen sich viele auf, weil falsche Informationen unterwegs sind. Als müssten jetzt alle 100 Euro mehr bezahlen. Oder, dass die Geschwisterkindermäßigung wegfiele. Was ja gar nicht stimmt. Da wurde von den Zeitungen unsauber informiert.

Seit 2009 gibt es pro Kind 30 Euro mehr Kindergeld. Jammern die Falschen?

Es ist schon bizarr, dass die SPD in Berlin die Kindergelderhöhung und die höheren Steuerfreibeträge für Familien als überflüssiges Geschenk diskreditiert und dieselbe SPD in Hamburg sagt, wenn ihr acht Euro mehr Essensgeld in der Kita nehmt, sei das nicht zuzumuten.

Hartz-IV-Empfänger erhalten kein Kindergeld. Doch auch sie sollen mehr fürs Essen zahlen. Das ist ungerecht.

Die zahlen ermäßigtes Essensgeld, 80 Cent pro Mahlzeit. Das gibt es zu Hause nicht billiger.

Warum belangen sie nicht nur die Wohlhabenderen? Dann wären Sie weniger angreifbar.

Glaube ich nicht. Der Protest entbrennt nicht am Essengeld. Den gibt es bei denen, die oberhalb der alten Einkommensgrenze lagen und jetzt befürchten, mehr zahlen zu müssen.

Die Wogen schlagen hoch. Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi fürchtet gar Nachteile für den Volksentscheid.

Wenn es danach ginge, dürften wir bis Juli gar keine Politik mehr machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.