Einschätzung zu Schwarz-Gelb in NRW: "Starr auf Atomkurs"

An Rhein und Ruhr läuft kein AKW mehr. Auf die Unterstützung von CDU und FDP kann sich die Atomindustrie trotzdem verlassen, sagt die Umweltaktivistin Heffa Schücking von urgewald.

Akw Biblis (Hessen), betrieben vom in NRW ansässigen Atomkonzern RWE. Bild: dpa

taz: Frau Schücking, was war gut an fünf Jahren Schwarz-Gelb in NRW?

Heffa Schücking: Die Freude auf einen Regierungswechsel. CDU und FDP stehen in NRW wie im Bund für einen starren Atomkurs.

In NRW läuft kein einziges Atomkraftwerk mehr. Sind die Proteste der Anti-Atom-Bewegung nicht überflüssig?

Heffa Schücking (50) ist Geschäftsführerin der Umweltorganisation urgewald. Als bisher einzige Deutsche wurde sie 1994 mit dem Goldman-Umweltpreis ausgezeichnet.

In NRW steht Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage, das Atommülllager Ahaus, die sogenannte Konditionierungsanlage zur Atommüllverpackung in Duisburg, Atommülltransporte drohen ständig. Außerdem haben Atomkonzerne wie die Stromerzeuger RWE und Eon ihren Sitz in Essen und Düsseldorf. Allein RWE plant sechs neue Atomkraftwerke im Ausland - und wird dabei von der Landesregierung unterstützt.

Die Landesregierung unterstützt auch die Verschiebung des Reaktors im Forschungszentrum Jülich, um so an den verstrahlten Boden darunter zu gelangen. Was halten Sie davon?

Ich bin fast sprachlos vor Entsetzen. Ein 30 Meter hoher Reaktor, der vollständig im Besitz von Bund und Land ist, soll auf einem Luftkissen verschoben werden. Das Verfahren ist nie zuvor erprobt worden und das Gefährdungspotenzial ist immens.

Die Brennstäbe des Jülicher Reaktors sollen zuvor nach Ahaus gebracht werden. Warum lehnt die Anti-Atom-Bewegung auch das ab?

Weil die Atommülltransporte überflüssig und gefährlich sind! Die Leichtbauhalle in Ahaus ist älter als das vorhandene Zwischenlager in Jülich. Die drohenden Castor-Transporte haben nur einen Zweck: Sie sollen die Illusion erzeugen, es gebe eine Lösung für das Atommüllproblem. Es gibt aber kein sicheres Endlager. Das dürfte übrigens auch der ehemalige Bundesforschungsminister Rüttgers wissen - schließlich hat er Castor-Transporte nach Ahaus vor seinem Regierungsantritt in NRW noch als unzumutbar bezeichnet.

Die Anti-AKW-Bewegung fordert die Zerschlagung von RWE und Eon. Warum?

Weil die Konzerne zu groß, zu mächtig und zu arrogant sind. Die Atompolitik von RWE und Eon verstößt sowohl gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung als auch gegen den gesunden Menschenverstand. So will RWE das rumänische AKW Cernavoda ausbauen, obwohl das mitten in einem Erdbebengebiet liegt - dabei musste der Konzern auf bulgarischer Seite das vergleichbare Projekt Belene bereits begraben.

Sie unterstützen die Linkspartei, die in NRW von der Verstaatlichung der Konzerne träumt?

Nein. Dort wo die Energiekonzerne verstaatlicht sind, werden auch die meisten Atomkraftwerke gebaut - siehe Russland, China oder auch Frankreich. Wir fordern eine Aufteilung der Konzerne in kleinere, demokratisch kontrollierbare Einheiten. Bei der noch immer marktbeherrschenden Stellung von RWE und Eon wäre das über das Kartellrecht problemlos möglich.

Frau Schücking, was wäre Ihre persönliche Horror-Koalition?

Die jetzige. CDU und FDP fordern nicht nur Laufzeitverlängerungen für deutsche AKW, sondern sichern die Auslandsexpansion der Atomindustrie auch noch mit Hermesbürgschaften ab.

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