Kommentar Belgien: Linguistischer Schulterschluss

Die aktuelle Krise offenbart, dass der Kompromiss zwischen den Sprachgruppen in Belgien kaum noch gepflegt wird. Auch Politiker beherrschen ihn nicht mehr.

Als es vorbei war, kamen die Details ans Licht. Schon während der Krisengespräche letzte Woche sahen die frankophonen Parteien keine Chance mehr auf einen Kompromiss. Sie stellten sich bereits auf vorgezogene Neuwahlen ein, bevor die Regierung überhaupt gefallen war. Eine Lösung des Streits um Brüssel-Halle-Vilvoorde, den symbolpolitisch aufgeladenen Wahlkreis der Hauptstadt, stand also nie ernsthaft zur Debatte.

Neuwahlen, so die Logik zumal der flämischen Parteien, sollen nun endlich eine stabile Koalition zuwege bringen und damit den Boden für eine Lösung der Probleme zwischen den beiden Sprachgruppen bereiten. Ein Optimismus, der jeder Grundlage entbehrt, denn auch die neue Regierung muss auf beiden Seiten der Sprachgrenze eine Mehrheit finden. Eine solche Mehrheit aber gründet sich auf einem politischen Profil, das zunehmend die flämische oder die frankophone Identität betont.

Für neue Verhandlungen sind dies keine guten Bedingungen. Mehr als einmal zeigte sich im Dauerkonflikt der letzten drei Jahre zudem die besorgniserregende Tendenz zum linguistischen Schulterschluss. Während Belgien mit den Folgen der Wirtschaftskrise kämpft, wird die sprachliche Identität bei Flamen wie Frankophonen zunehmend zum politischen Merkmal.

ist freier Korrespondent in Amsterdam.

Eine neue Entwicklung ist das nicht. Der nun erneut gescheiterte Yves Leterme wurde 2007 vor allem gewählt, um Flanderns Befugnisse zu Lasten der Zentralregierung zu vergrößern. Dieser Prozess dauert schon seit 1970 an, und der politische Wille dazu ist ungebrochen.

Auch diese Krise aber wird nicht, wie von außen gerne behauptet, Belgiens Ende sein. Sie offenbart nur drastisch, dass der Kompromiss zwischen den Sprachgruppen kaum noch gepflegt wird. Es gibt auch fast keine Politiker mehr, die ihn beherrschen.

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