Kommentar NRW-Wahl: Eine kluge Wahl

Keine Mehrheit für eine Zweierkonstellation – außer der Großen Koalition. Denkbar wäre eine israelische Lösung: Halbe Legislatur Kraft, die andere Laschet oder wer auch immer.

Die WählerInnen haben gesprochen – aber was haben sie gesagt? Es gibt keine Mehrheit für Schwarz-Gelb, keine für Rot-Grün, keine für Schwarz-Grün. Die Parteien werden dies als glatte Zumutung empfinden. Zu unrecht. Dieses Votum ist keineswegs unklug.

Dass die Wähler Schwarz-Gelb nicht wollten, war absehbar. Und es ist richtig so. Die Niederlage von Rüttgers & Pinkwart ist auch eine von Merkel & Westerwelle. Mit der FDP, die außer dem Steuersenkungsmantra und Anti-Staatssprüchen nichts zu bieten hat, regiert in Berlin die falsche Partei. Das haben die Wähler in NRW unüberhörbar laut gesagt.

Also Rot-Grün? Diese Koalition war noch vor ein paar Monaten scheintot. Ihre Wiederauferstehung wäre wohl doch ein zu großes und unverdientes Wunder gewesen.

Dass es für Schwarz-Grün nicht reicht, kann man als Quittung für das allzu clevere Doppelspiel von CDU und Grünen verstehen. Nach außen gingen beide demonstrativ auf Distanz, um ihre Stammwähler nicht zu irritieren, insgeheim war Schwarz-Grün längst beschlossen Sache. Das war zu tricky, um belohnt zu werden.

Und nun? Ja, die Regierungsbildung wird kompliziert. Aber zum Jammern gibt es keinen Grund. Die Parteien sollten sich besser an solche knappen Ergebnisse gewöhnen. Es wird sie in dem, mit dem Einzug der Linkspartei in den Düsseldorfer Landtag nun fest etablierten Fünfparteiensystem noch öfter geben.

Zur Ironie der Situation gehört, dass, neben der Großen Koalition, nur die unwahrscheinlichste aller Bündnisse bleibt: Rot-Rot-Grün. Für dieses Bündnis spricht eigentlich viel. In landespolitischen Kernbereichen - der Schul- und Energiepolitik oder den Entschuldung der Kommunen – gibt es mehr Verbindendes als Trennendes. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass Rot-Rot-Grün für die SPD mehr als eine Drohkulissse im anstehenden Machtspiel mit der CDU sein wird.

Kraft ist nicht Ypsilanti

Kraft ist nicht Ypsilanti. Sie hat kein ökosoziales Reformprogramm. Ihre Wandlung von der Agenda-2010 und Clement-Anhängerin zur mittig-linken Sozialdemokratin verlief geräuschlos. Und selbst wenn Kraft der Linkspartei vertrauen würde, was keineswegsder Fall ist, wäre völlig offen, ob sie die konservative Ruhrgebietssozialdemokratie unfallfrei an Rot-Rot-Grün gewöhnen könnte. Klar ist zudem: Rot-Rot-Grün würde von der erste Sekunden an unter Dauerfeuer der Medien in NRW stehen. Außerdem ist die Linkspartei in NRW, anders als in Hessen, Thüringen oder dem Saarland, eine recht fragiles Gebilde.

Gewiss wird der Parlamentarismus auch bei dem NRW-Linken seine segensreiche, mäßigende Wirkung entfalten. Der Gewerkschafts-Flügel um Wolfgang Zimmernann meint es durchaus ernst mit Rot-Rot-Grün.

Selbst linke Grüne hatten sich mit Schwarz-Grün abgefunden

Auch die Grünen dürften Montag morgen abrupt entdecken, dass Rot-Rot-Grün ihnen eine echte Herzensangelegenheit ist. Das ist, eingedenk der Tatsache, dass sich auch die linken Grünen seit Monaten innerlich mit Schwarz-Grün angefreundet hatten, noch eine ironische Wendung.

Nur Lafontaine könnte die NRW-Linkspartei zähmen

Und, auch das eine Pointe der Geschichte: Wenn jemand der Linkspartei in NRW auf verlässlichen Regierungskurs bringen kann, dann der Albtraum der Sozialdemokraten: Oskar Lafontaine.

Doch Rot-Rot-Grün bleibt in NRW unwahrscheinlich – vor allem, aber nicht nur, wegen der Ängstlichkeit der SPD.

So wird alles auf eine Große Koalition ohne Jürgen Rüttgers zu laufen. Aber auch das wird, gerade weil die CDU nur hauchdünn vor der SPD liegt, ein harter Kampf mit ungewissem Ausgang. Die CDU dürfte nach einigem Zögern einen der SPD genehmeren Kandidaten präsentieren - zum Beispiel Armin Laschet. Aber ob die SPD in einer Große Koalition mit zwei exakt gleich starken Fraktionen sich mit der Rolle des Juniorpartners bescheiden kann, ist fraglich.

Naheliegend wäre eine israelische Lösung: eine Hälfte der Legislatur regiert Hannelore Kraft, die andere Armin Laschet oder wer auch immer.

Das wäre vernünftig. Es würde Reibungsverluste und Gezänk vermindern. Allerdings ist die politische Klasse zu traditionsfixiert und konventionell, um neue Ideen auszuprobieren. Sie wird es, im Fünfpartensystem, lernen müssen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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