Mittwochstrash in der ARD: Das Wälzen in Klischees

Eine Lehrerin soll eine Affäre mit einem Schüler haben - und wird erpresst, obwohl es nicht stimmt: "Stille Post" (20.15 Uhr, ARD) lässt kein billiges Klischee aus.

Wer wars? Setzen, sechs! Bild: ndr/sandra hoever

"Andrea, es gibt Dinge, die ich liebe in der Ehe. Ich liebe die Vertrautheit. Sie ist wie eine Tätowierung, eingeritzt in unsere Haut, und irgendwann denken wir gar nicht mehr an sie. Ich nehme an, ich bin jetzt sehr konventionell. Mir ist kalt. Komm, wir fahren nach Mexiko." Wow! So klingt er, der perfekte Schlussmonolog einer Telenovela.

Pustekuchen, denn die Worte kommen von einem derangierten, um seine Ehe fürchtenden Axel Milberg am Ende des NDR-Machwerks "Stille Post". Die Geschichte zum Film ist nicht neu und sonst eher Hoheitsgebiet von Sat.1 oder ProSieben: 16-jähriger Problemschüler verliebt sich in Mittvierziger-Lehrerin. Die ist angetan vom jungen Romeo, auch weil sich ihr Gatte ausschließlich der eigenen Karriere widmet, hält sich aber schadlos. Doch die vermeintliche Affäre macht im Kollegium und in der Schülerschaft die Runde, zumal auch noch eine raffinierte Fotomontage des angeblichen Liebespaars auftaucht. Die Pädagogin wird, obwohl nix passiert, erpressbar. Die Presse kriegt davon Wind und bauscht die Sache gehörig auf.

All das klingt arg konstruiert - und das ist es auch. Drehbuchautor Thomas Oliver Walendy und Regisseur Matthias Tiefenbacher schießen nahezu jedes erdenkliche Klischee zum Thema Schüler-liebt-Lehrerin locker aus der Hüfte: Die Hauptfigur, Biologie- und Chemielehrerin Andrea Jahn, gespielt von einer blutleer wirkenden Ursula Karven, ist - natürlich - für den Drogenpräventionsunterricht in der Jahrgangsstufe 11 zuständig und - natürlich - hat der sie umgarnende Niklas ein kleines Drogenproblem.

Ebenso selbstverständlich fährt man zum Projektwochenende, wegen "Prävention" und so, in die Walachei, und da wird - natürlich - dem biederen Pauker Häcker eine Portion Ecstasy ins Glas gemischt, so dass der travoltamäßig zu "Staying alive" durchs Schullandheim eiert. Alles wird von den Schülern schön brav dokumentiert, mit dem Ziel, die Tanzkür "ins Netz zu stellen".

Auch die Nebencharaktere geizen nicht mit Stereotypen: Andrea Jahns Gatte ist - natürlich - Erfolgszahnarzt, der von der Klinik in eine Praxis wechselt, um - natürlich - mehr Zeit für seine unterversorgte Frau zu haben. Die beste Freundin der Paukerprotagonistin hat ihrerseits selbst ein Verhältnis mit einem Schüler gehabt und kommentiert das Ganze herzzerreißend traumatisiert: "Die Realität ist, dass er einfach nur seine Lehrerin flachlegen will. Danach zieht er sich stolz die Jeans hoch, bindet die Schuhe zu, geht aus der Tür, und man ist einfach nur schäbig und alt." Auch dieser Satz könnte glatt einer Soap oder Telenovela entsprungen sein.

Was der Film nun eigentlich will, wird nicht klar. Gesellschaftskritisch, von wegen "böse Presse zerstört Leben einer Vorbildpädagogin", oder filmästhetisch wertvoll, nach dem Motto "unorthodoxe Liebesgeschichte, tragisch erzählt", kann man den Neunzigminüter bei noch so gutem Willen nicht finden. Das absurd erzählte Schuldrama ist, weil so hemmungslos plakativ und voller dramaturgischer Lücken, vor allem eins - unfreiwillig komisch. Ein Lichtblick wenigstens ist der männliche Hauptdarsteller Sergej Moya, der 2009 mit dem Max Ophüls Preis als Bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet wurde. Moya gibt den Niklas so kompromisslos, das es einen sichtlich ärgert, dass der wertherhaft Liebende am Ende als Intrigant verhunzt wird.

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