piwik no script img

Musikmesse C/O PopPornobranche als Vorbild

Was lernen Kreative von der Pornoindustrie? Zum Beispiel, dass die Digitalisierung auch Basis für die Selbstverwaltung sein kann. Diskussionen auf der Kölner Musikmesse c/o pop.

Erotikfirmen wie Beate Uhse haben es schwerer als Pornostars. Bild: dpa

Absatzrückgänge bei den physischen Datenträgern, eine wachsende Zahl illegaler Downloads und ausbleibende staatliche Initiativen, um eine Industriesparte vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Was auf den ersten Blick wie die seit Jahren medial geschürten Ängste von Musikkonzernen aussieht, ist zur Verblüffung mancher Teilnehmer der C n B Convention auf der Kölner Musikmesse c/o pop eine Zustandsbeschreibung der Pornoindustrie.

Vertreter des "Adult Entertainment" formuliertem vor musikinteressiertem Fachpublikum, wie Digitalisierung und Internet die Welt der Erotik umgewälzt haben. Für Pornostars wie Sandra Shine war diese Krise erst die Basis für die Selbstverwaltung. Über ihre eigene Website kontrolliert sie nun eigene Fotos und Filme. Die Unabhängigkeit hat ihren Preis, da Shine knapp 300 E-Mails pro Tag an ihre Fans schreibt. Erotikfirmen wie Beate Uhse mit fünf Millionen Kunden haben es bedeutend schwerer, die sinkenden Umsätze ihrer Angebotspalette zu kompensieren. Mark Harrison von DatingFactory.com hat für den Erotikkonzern wie auch für die Musikbranche eine Lösung parat: Stars wie Shine bedienen eine Nische, die zahlungswillig ist. Dieses Segment können Großkonzerne mit ihrem stark normierten Angebot nicht abdecken. Fans seien bereit, für hochwertige Inhalte zu zahlen, während Gelegenheitsnutzer lieber auf kostenlose Angebote zurückgreifen.

In einem erweiterten Fokus zur düsteren wirtschaftlichen Lage der Kreativbranche rückte auf der c/o pop die Romantisierung der Nische mehrmals in den Mittelpunkt. Cristiana Falcone vom Weltwirtschaftsforum appellierte an eine Rückkehr zur Wertschätzung von kreativer Freiheit. In ihrer Sichtweise haben beispielsweise an der Entstehung des kalifornischen Silicon Valley die Hippie-Eltern der Software-Entwickler maßgeblichen Anteil. Die hätten pädagogischen Werte und die Schätzung von kreativen Ideen vermittelt, die der Schlüssel zum Boom der Computerindustrie gewesen seien.

Viel Potenzial in einer Reform von Erziehung und Bildung sieht auch Joseph G. Woods vom "New World Centre For New Thinking", der Kreativität und Ideen nicht allein beim Individuum verortet, sondern als kollektive Leistungen ansieht. Erfolge äußerten sich heutzutage in der horizontalen Erschließung eines Marktes, eben indem man Nischen zu füllen versucht. Ein eigenes, risikobereites Exempel kann als Referenz für andere Ideen dienen und sich schnell für die gesamte Gesellschaft auszahlen.

Umweltschutz ist eines dieser Exempel, das mit dem Schlagwort Nachhaltigkeit nun auch in der Musikindustrie angekommen ist: Die Energy Union Tour vermittelt, dass der Gedanke an Nachhaltigkeit nicht an Verzicht, sondern der Vermeidung von Verschwendung anzusiedeln sei. Angefangen beim Messe-Catering mit Mineralwasser aus der Türkei, hin zum Einsatz von Komposttoiletten erläuterten die Teilnehmer aus Industrie und Politik eine große Bandbreite von Möglichkeiten, die nur darauf warten, effektiv und nachhaltig umgeformt zu werden. Als Netzwerk mit stetigem gegenseitigem Austausch und Kooperationen ist ein Umdenken schnell realisierbar.

Für rein ökonomisch orientierte Clubbetreiber mag ein Wechsel nicht unmittelbar attraktiv scheinen, doch wenn dadurch die Energiekosten gesenkt werden, lassen sich auch noch andere Segmente umgestalten. Das Fundament hierfür ist bereits gegossen, denn Nordrhein-Westfalen bietet bereits kostenlose Energiegutachten an, die jeder Betreiber in Anspruch nehmen könnte. Auf Bundesebene gibt es viele Mittel zur Unterstützung für energieeffiziente Projekte. Eine Vielzahl von Nischen existiert, deren Füllen sich auch ökonomisch lohnt. Sie müssen nur mit einer kollektiven Leistung angeregt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!