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Archiv-Artikel

Die machtlosen Besitzer der Medienkonzerne

Kein Stimmrecht: Gegen die Fusion mit Springer können sich die meisten Aktionäre von ProSiebenSat.1 nicht wehren

BERLIN taz ■ Vormachtstellung und Wettbewerbsbeschränkung auf dem Werbe-, Anzeigen- und Lesermarkt: Die Bedenken des Kartellamtes gegen eine Übernahme der ProSiebenSat.1 durch die Axel Springer AG füllen 45 Seiten – und werfen die Frage auf, wieso es bislang so wenig Gegenwehr gab. Warum schwiegen beispielsweise die ProSiebenSat.1-Aktionäre? Die Antwort ist einfach: Bei Medienkonzernen wie ProSiebenSat.1 und Springer hat die Mehrheit der Anteilseigner nichts zu sagen. Beide Unternehmen sind zwar so genannte Publikumsgesellschaften, bei denen der Aktienbesitz breit gestreut ist – doch zum Großteil der Aktien gehört kein Stimmrecht auf den Hauptversammlungen.

Dieses Demokratiedefizit herrscht in den meisten deutschen Medienunternehmen. Wer an die Börse geht, gibt zwei Sorten Aktien aus: Vorzugsaktien und Stammaktien. Vorzugsaktien sind im Gegensatz zu Stammaktien nicht mit Stimmrecht verbunden. Normalerweise wird dieser Nachteil mit einer höheren Dividende ausgeglichen.

So musste sich der Axel-Springer-Vorstand bei der ProSiebenSat.1-Übernahme zumindest um die Zustimmung der Aktionäre keine Sorgen machen – obwohl 75 Prozent der Vorzugsaktien in Streubesitz waren, als er sein Angebot vorlegte. Denn sämtliche Stammaktien gehörten entweder bereits dem Berliner Konzern oder der ProSiebenSat.1. Media AG, die wiederum von Haim Saban kontrolliert wird – dem Mann, der die Übernahme mit Springer-Chef Matthias Döpfner und Hauptaktionärin Friede Springer ausgehandelt hatte.

Die Besitzer von Vorzugsaktien hatten keine Chance, wenigstens symbolisch gegen das Geschäft zu stimmen. Und sie sind auch finanziell die Verlierer: Ihre Anteile sind für Springer uninteressant, weil sie für die Machtfrage keine Rolle spielen. Sie stören sogar, weil sie die Übernahme verteuern. Kein Wunder, dass Döpfner und Co. das Pflichtangebot zum Kauf der Vorzugsaktien so knapp wie möglich hielten. Die Vorzugsaktionäre von Pro7Sat.1 sollen für ihre Anteile lediglich 14,11 Euro bekommen – weniger als der Börsenwert und nicht einmal zwei Drittel von dem, was es für die Stammaktien gab. Bis Ende vergangener Woche hatten sie deshalb nur 16,8 Prozent ihrer Aktien, 8,4 Prozent des Grundkapitals, zum Verkauf angemeldet. Sollte die Übernahme genehmigt werden, besäße Springer also 70,9 Prozent von ProSiebenSat1.

Ein Pflichtangebot an alle Aktionäre muss machen, wer mehr als 30 Prozent der Aktien eines Unternehmens innehat. Aktionäre, die das Angebot nicht annehmen wollen, bekommen ihre Aktien nach der Übernahme in Anteile des neuen gemeinsamen Unternehmens umgetauscht.

Ähnlich wenig Möglichkeiten, sich gegen die Fusion zu wehren, haben die knapp 2.700 Beschäftigten bei der ProSiebenSat.1 Media AG und ihre rund 10.700 Kollegen bei Springer. Zu verdanken haben sie das der Tatsache, dass Medienunternehmen wie kirchliche, politische, wissenschaftliche und künstlerische Betriebe als Tendenzbetriebe gelten. Hier geht der Schutz der jeweiligen „nicht erwerbswirtschaftlichen Ziele“ vor die Beteiligungsrechte der Mitarbeiter. Auch bei Springer sitzen im Aufsichtsrat nur die neun Kapitalvertreter.

Das einzige deutsche Medienunternehmen, das nach Informationen des Ver.di-Medienexperten Martin Dieckmann freiwillig Arbeitnehmervertreter in sein Kontrollgremium lässt, ist Gruner + Jahr. Immerhin drei von zwölf Aufsichtsratsmitgliedern kommen aus der eigenen Belegschaft. Nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 werden die Aufsichtsratsmandate in anderen Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten je zur Hälfte auf Arbeitnehmer- und die Kapitalvertreter verteilt. Auch das Betriebsverfassungsgesetz gilt in Tendenzbetrieben nur eingeschränkt. So haben die Betriebsräte keinen Einfluss auf die Ausrichtung der Arbeitsverträge – beispielsweise auf die Frage, welche Unternehmensgrundsätze dort festgeschrieben werden. Da ProSiebenSat.1 mit Springer verschmolzen werden soll, dürften die fünf Springer-Gebote – darunter die Solidarität mit den USA – künftig für alle 13.400 Beschäftigen des neuen Unternehmens gelten. BEATE WILLMS

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