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50 Jahre uabhängiges KongoDie Eleganz der Freiheit

Vor fünfzig Jahren entließ Belgien seine Kolonie Kongo in die Unabhängigkeit. Es folgten Diktatur und Bürgerkrieg. Doch die Kolonialherren vermisst keiner.

Ein Stück Zeitgeschichte: Der Kongo blickt zurück auf 50 Jahre Unabhängigkeit. Bild: dpa

Es sind Bilder, die man nur noch in Archiven findet, unter dicken Staubschichten. Barocke amerikanische Limousinen, glänzend polierte Cabrios und Coupés gleiten über den gepflegten Rasen eines Golfklubs oder einer Pferderennbahn, ein Ballett von Studebakers, Pontiacs, Mercurys und Oldsmobiles. Vor der Tribüne halten die weißen Chauffeure an, den Fahrzeugen entsteigen Damen mit Hut, im modischen Blumenkleid oder koketten Kostüm. Die Töchter schmiegen sich, so lasziv es ihre gute katholische Erziehung erlaubt, an das verchromte Blech heran. Das hübscheste Team bekommt den Beifall der Jury und einen Pokal.

Das ist ein concours délégance aus dem Kongo der 50er Jahre, ein belgischer Zeitvertreib in tropischen Provinzstädtchen aus einer lang verflossenen Ära. Ortswechsel, Léopoldville, späte 50er Jahre im heutigen Kinshasa. Da hatte irgendein wohlwollender Idiot in der Kolonialverwaltung entschieden, dass auch die Neger ihren concours délégance haben sollen. Problem: Schwarze besitzen natürlich keine Autos, wo kämen wir da hin? So paradieren nette kongolesische Kleinfamilien artig über den Rasen, an den weißen Honoratioren auf der Ehrentribüne vorbei. Zu Fuß. Mit strengem Blick und feierlichem Schritt. Mit einer Nummer auf einem Pappkartonschild und maximal vier ihrer Kinder, man muss ja nicht gleich übertreiben. Einige tragen Fliege, andere ein lächerliches Hütchen, noch andere die Tropenuniform der Kolonialarmee Force Publique. Die Mamas stellen farbige Gewänder zur Schau, die Kinderchen sind frisch gewaschen. Das properste Team wird mit Ovationen seitens der weißen Würdenträger belohnt. Neger sind Kinder, nicht wahr, und entsprechend sind sie zu behandeln.

Belgiens Kolonialisierung des Kongo war äußerst lukrativ und zugleich borniert, kurzsichtig, demütigend, paternalistisch, ideologiefrei, kurzum: belgisch. Zu Hause interessierte sich kaum jemand für die Provinzen in Übersee, Hauptsache, die Kasse stimmte. Einer Legende nach pflegte der Premierminister einmal im Jahr, quasi im Vorbeigehen, seinen untätigen Kolonialminister zu fragen: "Wie gehts denn so, da unten, Auguste?" Worauf unveränderlich die Antwort kam: "Ça va, Achille, merci."

1960 aber ging es plötzlich nicht mehr. Nach Unabhängigkeitsbestrebungen weltweit und vereinzelten Krawallen im Kongo entließen die Belgier ihre riesige Kolonie in eine improvisierte Selbständigkeit. Ganze 14 Akademiker gab es im neuen Staat, zumeist Theologen und Philosophen aus Priesterseminaren. Kein anderes junges Land in Afrika war so schlecht für seine Unabhängigkeit gerüstet. Das Debakel war vorprogrammiert: Unruhen in Léopoldville und anderen Städten, Meutereien, Plünderungen und Vergewaltigungen. In Panik stürmten die weißen Kongo-Belgier die DC-6-Propellermaschinen der Sabena, Hals über Kopf flüchteten sie ins kalte Mutterland. Sie fühlten sich als Opfer, als Parias. Sie hatten den Kolonialismus nicht erfunden, doch sie hatten ihm treu gedient, und nun plötzlich gab es für sie keinen Platz mehr.

Heute, 50 Jahre später, träumen die Überlebenden immer noch von Afrika. In ihren Villen, im Bridgeklub oder in trostlosen belgischen Altersheimen trauern sie dem verlorenen Idyll nach. Von den Negern halten sie nicht viel, aber ihren Kongo, den lieben sie über alles. Die Unbändigkeit eines afrikanischen Morgens! Das tropische Gewitter, bewundert von der sicheren barza aus, mit Whisky-Cola in der Hand! Die brutale Farbenpracht eines afrikanischen Sonnenuntergangs! Das "Heimweh nach den Tropen" sei ihnen auf ihre alten Tage gegönnt. Sie empfinden ein wenig Genugtuung darüber, dass das einstige Paradies ohne sie vor die Hunde ging.

Bei der Unabhängigkeit, die 1960 den halben Kontinent ergriff, spürten Afrikaner etwas völlig neues, "a sense of possibilities", wie es der britische Historiker Basil Davidson nennt. Ihre Hoffnungen wurden fast überall bitter enttäuscht, und ganz extrem im Kongo: drei bis sechs Millionen Tote allein in den letzten zehn Jahren, so schätzt man, Folge von Diktatur, Korruption und Bürgerkrieg. Daraus aber zu schließen, dass sich die Menschen vom Kongo die Kolonialzeit zurückwünschten, wäre falsch. Eine solche Nostalgie gibt es nicht, höchstens ab und zu eine höfliche Lüge. Klar, es ist schmeichelhaft, wenn Kongolesen heute von nos tontons belges sprechen, von den Belgiern als Lieblingsonkeln. Die Kongolesen sehnen sich aber nach einem Staat, der funktioniert, nach pünktlich ausbezahlten Löhnen und befahrbaren Straßen. Sie pflegen noch immer die élégance, aber sie haben mit ansehen müssen, wie ihr Land von den Herrschern leergeplündert wurde, von den Schergen Mobutus und Kabilas, von fremden Soldateskas und korrupten Warlords. Keiner weint in diesem Jubeljahr der Kolonialzeit eine Träne nach. Für die meisten Kongolesen bleibt die Zeit der Belgier: die verfluchte Zeit.

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2 Kommentare

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  • KG
    Kurt Georg

    Euer Kampf- Pogromstimmung von Links

     

    Ein Gespenst geht um in der deutschen Linken.

    Es ist das Gespenst des latenten Rassismus, lediglich unterdrückt und/oder kanalisiert von einigen, nur halb ernst gemeinten Vorstellung von Menschenwürde und Gleichheit. Es scheint dem deutschen Wesen innezuwohnen, Menschen nichtweißer Hautfarbe mit Abscheu und Hass zu begegnen. Ein gutes Beispiel dafür ist die schon fast zwanghaft- touretteteske Verwendung des Begriffes "Neger". Gibt man beispielsweise dieses Wort als Suchbegriff im Internet- Archiv der "tageszeitung" ein, so erhält man ganze 65 Einträge.Nicht etwa, dass hier Nazis zitiert werden, nein, man baut das Wort wie selbstverständlich in Texte ein, in denen es um Menschen afrikanischer Herkunft geht. In einem Artikel der Taz vom 30. Juni 2010 schreibt der belgische Journalist Luc Leysen in einem Artikel über die Zeit der Kolonial- Herrschaft im Kongo: " Da hatte irgendein wohlwollender Idiot in der Kolonialverwaltung entschieden, dass auch die Neger ihren concours délégance haben sollen." Diese inflationäre Adaption der Sprache der Sklaventreiber und Völkermörder nicht mal in Anführungszeichen zu setzten, um so zumindest eine Anspielung auf den offenen Rassismus der weißen Oberklasse zu tätigen, zeigt, wie tief der Rassenhass sich durch alle politischen Lager zieht.Hätte "Schwarzer" hier nicht gereicht? Diese punktuellen Ausfälle wirken wie ein Ventil für den, man ist ja links, angestauten und runtergeschluckten Hass und Aggressionsschub, den man gegenüber phänotypischen Abweichlern empfindet.

     

    Ein weiteres gutes Beispiel ist der Film "American History X". Dieser wird von einer Vielzahl meist junger Leute, gleich welcher politischen Coleur, als "Lieblingsfilm" angegeben. Doch wer sich den Film, vielleicht sogar zusammen mit dem deutschen Mob, ansieht, merkt schnell was wirklich dahinter steckt. Man findet die Gewaltdarstellungen und den Corpsgeist der Nazi-Bande schon nach kurzer Zeit "geil", quasi ekstasisch fühlt man sich in die Emotionen der Schläger hinein, lacht über "Neger-witze", sympathisiert mit den Protagonisten. Dieser Film ist eine Verherrlichung von rassitischer Gewalt, und eine Verharmlosung weil Empathisierung des rassistischen Lynchmobs. Da wird der Obernazi, anfangs zwar ungezähmt, mal eben als liebender Familienmensch dargestellt, der nur das beste für "seine" Leute will. Die Kritik, die der Film vorgibt zu formulieren, wird überschattet von einer stimulativen Identifikation mit den Rassisten im Film, ein erregtes Warten auf die nächste Fresse, die am Bordstein zertrümmert wird.

     

    Szenenwechsel. Ein, sagen wir mal Bekannter von mir scheint auf den ersten Blick politisch korrekt. 18 Jahre alt, in der örtlichen Antifa, engagiert in der Schule sowie im Verkehrsausschuss der Grünen im Stadtrat, Pfarrerssohn. Abi-Note: 2.8.

    Und doch, immer wieder fängt er wie aus dem Nichts an, Nazilieder zu grölen, so gehört etwa im hiesigen Stadtpark nach Einbruch der Dunkelheit. Dieser Mensch stimmt unverhohlen den sog. "Klan-Song" an; "Und der Mond zieht seine Bahn / Überm Reich des Ku-Klux-Klan" . Damit nicht genug, auf dem I- Pod unseres jungen Freiheitskämpfers findet sich eine solide Palette VS- bekannter Rechtsrock-Interpreten, es erstaunt, wie textsicher das Grünen- Mitglied das Text-Repertoire beherrscht. Dazu kommt ein seltsamer Zwang, das Wort "Neger" oder "Nigger" möglichst laut, oft und öffentlich auszusprechen, zu wiederholen und nach Lachern zu fischen. Die bekommt er. "Ex oder Jude" reiht sich nahtlos in sein Stammvokabular ein.

    Doch nicht nur die Grün-Dumpfen scheinen ein Problem mit ihrer eigenen Weltanschauung zu haben.

    Bei einer Diskussion über Antisemitismus von Links etwa wird der Wortbeitrag eines Deutschen orientalische Herkunft von "antideutsch" anmutender Seite so kommentiert: Es sei klar, dass "der Anatole" Antisemit sei, ein Zusammenhang zwischen dem Wesen "der Anatolen" und Judenfeindlichkeit wird, bar jeder Analyse, einfach mal hergestellt. Auf Nachfrage wird nicht etwa bestritten, sondern munter weiter ethnisiert, "es sei ja nun mal so". Aber ausländerfeindlich sei man nicht.

     

    Fassen wir also zusammen. Das krampfhafte und notorische Aussprechen rassitischer Beleidigungen, hier ist "Neger" sehr beliebt, hat in der "Neuen Linken" traurige Tradition. Hendryk M. Broder unterschied jüngst das Ressentiment vom Vorurteil in der Hinsicht, dass Vorurteile sich gegen Verhaltensweisen bestimmter Personengruppen richten, Ressentiments aber die pure Existenz von Menschen verunglimpft. Diese rassistischen Ressentiments wirken also wie ein Ventil für lange aufgestaute Ausländer- (und im übrigen auch Schwulen-) Feindlichkeit, die man ja eigentlich zu bekämpfen vorgibt.

    Eine Diskussion mit unseren Leitartiklern, unserem grünen Freund oder den elitaristisch- islamophoben Antideutschen ist im Übrigen sinnlos, ihr Hass scheint fast schon genetisch verankert zu sein.

    Resultierend ist an alle deutsch-linken Gutmenschen der Appell zu richten, wenn schon die eigenen Ansichten bigott und festgefahren sind, nachzuprüfen, ob sie ihren faschistoiden Alltagssprech auch in Anwesenheit von Dunkelhäutigen, Juden, Schwulen oder anderen "Randgruppen" verwenden würden.

     

    Deutschland in die Tonne treten!

     

    Ein Antirassist aus Witten

  • A
    A.Grech

    Ok, es ist Sommerloch und substanzlose "Meinungsartikel" wie dieser hier sind dann wohl nicht gänzlich wertlos. Aber gibt es wirklich sonst nix halbwegs interessantes, worüber sich zu schreiben lohnen würde?