Geburtshilfe: Auf die Welt bringen lohnt sich nicht
Auf dem Land und auf Inseln könnte es bald keine Hebammen mehr geben, sagt die SPD-Landtagsfraktion in Kiel. Sie fordert bessere finanzielle Bedingungen für freiberufliche Geburtshelferinnen.
Die seit dem 1. Juli erhöhten Haftpflichtprämien für Hebammen haben am Mittwoch den Kieler Landtag beschäftigt. Die SPD-Fraktion hatte zuvor in einem Antrag die Landesregierung aufgefordert, sich für bessere finanzielle Rahmenbedingungen einzusetzen. So würden die Gebühren, die freiberufliche Hebammen durch die Geburt verdienen, gerade die Kosten für die Versicherungsprämien decken, heißt es in dem Antrag.
Die Beträge sind um fast 60 Prozent auf rund 3.700 Euro pro Jahr gestiegen. Der durchschnittliche Stundenlohn beträgt dem schleswig-holsteinischen Hebammenverband zufolge 7,50 Euro. "Einige Hebammen haben die Geburtshilfe schon eingestellt, weil sie die hohen Beiträge nicht zahlen können", sagte Verbandschefin Margret Salzmann am Mittwoch. Sie warnt vor einem Mangel an freiberuflichen Geburtshelferinnen. Anders als in Städten, wo es Geburtskliniken gebe, könne es in ländlichen Gebieten und auf Inseln eng werden, so Salzmann.
Auf Amrum bezahlt vorerst sogar der örtliche Rotary Club die Haftpflichtprämie, um die Insel-Hebamme nicht zu verlieren. Sie hatte angekündigt, ihren Dienst ab 2011 einzustellen und auf dem Festland zu arbeiten. Nun beschäftigt sich der Fachausschuss von Amrum mit den Zukunftssorgen der Geburtshilfe.
Hebammen bezahlen eine jährliche Haftpflichtprämie, um bei einem Schadensfall mit Beeinträchtigung des kindlichen Lebens versichert zu sein.
Um über 200 Prozent gestiegen ist die Höhe dieser Prämie zwischen 2007 und 2010.
Rund 3.700 Euro müssen Geburtshelferinnen ab dem 1. Juli 2010 für ihre Berufshaftpflicht bezahlen.
Grund für die Erhöhung sind laut Hebammenverband nicht eine Zunahme von Schadensfällen, sondern gestiegene Pflegekosten.
Auf 4,5 Millionen müssen die Versicherungssummen angehoben werden.
Ähnliche Probleme habe auch Fehmarn, sagte Salzmann. Schon jetzt sei es so, dass viele Schwangere aufs Festland in die Klinik nach Oldenburg fahren müssten. Doch die sei ebenfalls im Umbruch und die fünf Hebammen dort könnten die Berufshaftpflicht auch nicht zahlen. Die werdenden Mütter müssten dann nach noch weiter fahren, etwa nach Eutin.
Bernd Heinemann von der SPD-Fraktion im Kieler Landtag rechnet damit, dass schon bald mehr als zehn Prozent der rund 700 Hebammen im Land keine Geburten mehr betreuen werden. "Im nächsten Schritt stehen möglicherweise wohnortnahe, kleine geburtshilfliche Abteilungen vor dem Aus", sagte der gesundheitspolitische Sprecher.
Unterstützung bekamen die Sozialdemokraten von den Grünen, dem SSW und der CDU. Lediglich die FDP kritisierte den Antrag als Angstmacherei. Die SPD verlange von der Landesregierung "als Interessenvertreter für den Hebammenverband aufzutreten und finanzielle Verbesserungen für diese eine Berufsgruppe auszuhandeln", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin, Anita Klahn. Als Liberale wehre sie sich "gegen eine staatliche Einflussnahme auf die Verhandlungspartner", so Klahn.
Jene Verhandlungspartner sind der Spitzenverband der Krankenkassen sowie die Berufsverbände der Hebammen. Am Dienstag haben sie sich in einem Schiedsverfahren auf höhere Leistungen geeinigt. Für jede außerklinische Geburt gibt es nun 100 Euro mehr, für jede Krankenhausgeburt acht Euro zusätzlich, teilten die Kassen mit.
Entsetzen indes beim Hebammenverband Bremen: Die Erhöhung beziehe sich auf eine alte Gebührenhöhe, sagte Sprecherin Valerie Stabel. Dadurch bekämen Hebammen für Hausgeburten lediglich elf Euro mehr. Besonders hart treffe es die Beleghebammen, also freiberufliche Hebammen, die in Kliniken entbinden. Sie erhalten nach dem ausgehandelten Leistungskatalog sogar fünf Euro weniger pro Geburt als bisher, sagte Stabel. "Die werden so nicht mehr weiter arbeiten können."
Die Erhöhung der Haftpflichtprämien durch die Versicherer und die zögerlichen Zugeständnisse der Kassen seien eine "wirtschaftliche Katastrophe" für die selbständigen Hebammen. Zudem könnten so schwangere Frauen nicht länger den Geburtsort frei wählen, sagte die Verbandssprecherin.
Mit einer Mahnwache auf dem Bremer Marktplatz wollen heute Mittag die Hebammen auf ihre wirtschaftliche Situation aufmerksam machen und gegen die eingeschränkten geburtshilflichen Angebote protestieren.
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