Genossenschaft in der Lausitz: Solardächer statt Abraumhalden
Vattenfall will der Braunkohle wegen auch in Zukunft Dörfer in der Lausitz abbaggern. Eine Solargenossenschaft zeigt dagegen, dass Strom auch umweltfreundlich erzeugt werden kann.
Wer die Energiewende will, kann sich für 250 Euro einen Anteil an einem Solardach kaufen. In der Lausitz an der polnischen Grenze. Es ist eine Finanzanlage, die mehr ist als eine ökonomische Option. Sie ist ein politisches Statement.
Das Solardach soll auf dem Feuerwehrhaus von Kerkwitz entstehen, einem Straßendorf mit 500 Einwohnern und Einwohnerinnen, das derzeit in der flirrenden Sommerhitze liegt. Die Lausitz an der Grenze zu Polen ist eine der heißesten und trockensten Gegenden Deutschlands.
Was die Lausitz aber noch viel stärker prägt: Sie ist Braunkohletagebaugebiet. Seit 1924 wurden in der Region 136 Orte zerstört. Zuletzt das Dorf Horno. Nach jahrzehntelangem Widerstand verließ dort 2005 die letzte Familie das Dorf. Die Braunkohle, auf der die Häuser gebaut sind, wird den historischen Ortschaften zum Verhängnis. Sie wird - obwohl extrem umweltschädlich - zur Verstromung genutzt. Deshalb graben sich die Tagebaubagger mit ihren riesigen Schaufeln durch die Landschaft und hinterlassen Krater und Schuttberge von gigantischem Ausmaß. Eigentlich sollte nach der Wende Schluss sein damit. Horno sollte das letzte Dorf sein, das verschwindet. Manfred Stolpe, der damalige Ministerpräsident Brandenburgs von der SPD, versprach es. Aber der schwedische Energiekonzern Vatterfall, dem der Tagebau seit 2001 gehört, forciert den oberirdischen Abbau der Kohle wieder. Auch die Landesregierung hat sich vom Braunkohletagebau bisher nicht verabschiedet. Und vor zwei Jahren erlebten die KerkwitzerInnen eine böse Überraschung, als sie Radio hörten. Vattenfall, so wurde gemeldet, will neue Braunkohletagebaue ausweisen. Kerkwitz und die zwei Nachbardörfer Atterwasch und Grabko sollen weg. Zu DDR-Zeiten war die Lausitz der Energiemotor - die Region war bedeutend. Es gab große Zustimmung zum Tagebau. Viele LausitzerInnen waren auch dort beschäftigt. Diese Zustimmung hat in den letzten Jahren abgenommen. Ein Großteil der Leute in den bedrohten Dörfern will die Heimat erhalten. Selbst dann, wenn Vattenfall mit Entschädigung winkt. Hinzu kommen der Klimawandel und die Erkenntnis, dass Braunkohlekraftwerke extrem klimaschädlich sind.
Diese ganze Geschichte lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 17. Juli http://www.taz.de/zeitung/taznews/sonntaz-vorlauf/- ab Samstag mit der taz am Kiosk.
Zuerst setzten die Lausitzer in ihren Protesten auf ein Volksbegehren. Sie forderten "Keine neuen Tagebaue" und hätten dafür 80.000 Unterschriften der Brandenburger und Brandenburgerinnen gebraucht. So viel Solidarität gab es aber nicht in dem Bundesland rund um Berlin. Nun sind die Lausitzer in ihrem Protest wieder auf sich und die Naturschützer gestellt.
"Das Scheitern des Volksbegehrens war einer der Anstöße, die Solargenossenschaft in der Lausitz SoGeLa zu gründen", sagt Matthias Bärmann, der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende. "Nach dem Scheitern, da waren wir erschlagen." Zusammen mit einem Kollegen entstand die Idee der Solargenossenschaft. "Wir haben überlegt, was jetzt jeder selbst tun kann", so der Bauingenieur.
Auf Dächern in verschiedenen Ortschaften rund ums geplante neue Tagebaugebiet wurden bisher sechs Fotovoltaikanlagen installiert. Nun soll eine weitere hinzukommen. Und zwar auf dem Feuerwehrhaus in Kerkwitz. Dafür kann man sich Anteile zu je 250 Euro kaufen.
Bisher gibt es keine rechtlich wirksame Entscheidung zum neuen - von Vattenfall gewünschten - Tagebau, dem die drei Dörfer geopfert werden sollen. Der Prozess bis zur Realisierung kann Jahre dauern. Deshalb gibt es in Kerkwitz keinerlei Baubeschränkung. Sollte es trotz allen Widerstands doch dazu kommen, dass die Braunkohleverfechter gewinnen und die Orte abgebaggert werden, muss Vattenfall entschädigen.
Jeder Anteilseigner ist aber gleichzeitig auch Teil der betroffenen Öffentlichkeit in Kerkwitz. Als solche können sie sich in Braunkohle- und Genehmigungsverfahren zu Wort melden. Auf diese Weise wird der Kreis der KritikerInnen größer. Die Dörfer stehen nicht mehr allein da.
Die Solargenossenschaft geht von einer Rendite des Solardachs von 4 bis 6 Prozent aus. Was mit dem Geld geschieht - ob es ausgeschüttet oder in neue Projekte investiert wird - entscheiden die AnteilseignerInnen auf der Genossenschaftsversammlung.
Bärmann, der die Solargenossenschaft mitgegründet hat, ist in der Lausitz aufgewachsen. "Ich will nicht, dass das hier alles kaputt gemacht wird", sagt er. Und dann sagt er noch: "Wir sind nicht gegen Vattenfall, aber wir wollen eine echte Energiewende und wir nutzen alternative Formen der Stromerzeugung dazu."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen