Nach Referendum in Hamburg: Kein Ende aller Reformen

Der Volksentscheid in Hamburg hat sich nur gegen einen Teil der schwarz-grünen Gesetzesnovelle gerichtet. So bleiben die Stadtteilschulen erhalten.

Das Experiment Schulreform in Hamburg ist mit dem Referendum nicht vorbei. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Primarschule ist tot, doch der Umbau des Hamburger Schulsystems wird trotzdem vorangetrieben - so lautet die Botschaft am Tag nach dem Sieg des Volksentscheids gegen die Hamburger Schulreform. Denn das Referendum richtete sich nur gegen einen Teil der Gesetzesnovelle; gegen die Einführung einer Primarschule, in der sechs Jahre lang gemeinsam gelernt wird, bevor sich die Wege der SchülerInnen trennen.

Trotzdem wird es ab August in Hamburg 22 Primarschulen geben, in denen sechs Jahre lang gemeinsam gelernt wird. Es sind die Grundschulen, die die geplante Reform schon zum neuen Schuljahr umgesetzt haben und nun als Schulversuch Bestandsgarantie genießen. In der diesjährigen Anmelderunde wurden hamburgweit gut 700 Fünftklässler an den Starterschulen angemeldet.

Die Zukunft dieses Schulversuchs ist unklar: Das bestehende Schulsystem sieht einen Schulwechsel nach Klasse sechs nicht vor, die Kinder könnten Probleme kriegen, an weiterführenden Schulen unterzukommen. Andererseits gibt es viele Grundschulen, die das Primarschulkonzept für sinnvoll halten und nun versuchen könnten, ebenfalls als Schulversuch das längere Lernen bei sich zu etablieren.

Die 220 bisherigen Grundschulstandorte werden nach dem Scheitern der Reform im Wesentlichen erhalten bleiben. Allerdings gibt es derzeit nur auf Basis der sechsjährigen Primarschule eine Standortplanung, die nun korrigiert werden muss. Viele geplante Erweiterungsbauten sind nun überflüssig. Nur wo wegen der kleineren Klassen mehr Raum benötigt wird, soll gebaut werden. Die künftigen ersten Grundschulklassen starten zudem mit neuen Bildungsplänen, Englischunterricht, Lehrerteamarbeit und mehr individualisiertem Unterricht.

Unberührt von dem Volksentscheid bleibt die Einführung der Stadtteilschule, die die schon abgeschafften Haupt-, aber auch die Real- und Gesamtschulen ersetzen soll. 51 Stadtteilschulen nehmen nach den Sommerferien ihre Arbeit auf, nur dass sie nicht ab der siebten, sondern bereits mit der fünften Klasse beginnen werden.

Die Schüler können an den Stadtteilschulen drei verschiedene Abschlüsse ablegen: Nach insgesamt neun Schuljahren den Hauptschulabschluss, nach zehn den mittleren Bildungsabschluss und nach 13 Jahren das Abitur. In den Verhandlungen zwischen CDU, GAL, SPD und der Linken wurde festgelegt, dass alle Standorte eine gymnasiale Oberstufe bekommen. Ob es dafür überall genügend Schüler gibt, ist fraglich - Kritiker befürchten, dass die Stadtteilschule zur "Resteschule" für all jene verkommen wird, die den Sprung ans Gymnasium nicht schaffen.

In den Stadtteilschulen wie auch auf den Gymnasien, wo der Weg zum Abitur weiterhin insgesamt 12 Schuljahre dauert, wird das Sitzenbleiben abgeschafft und durch Förderung ersetzt. Auch die sogenannte Abschulung gibt es nicht mehr. Wer auf ein Gymnasium oder eine Stadtteilschule aufgenommen wurde, kann nicht wegen mangelhafter Leistung in eine andere Schulform strafversetzt werden. Allerdings bleibt es dabei, dass Kinder nach der sechsten Klasse das Gymnasium verlassen müssen, wenn ihre Leistungen nicht den Anforderungen genügen.

Bestandteil der jetzt gescheiterten Schulreform war auch ein "Schulfrieden", der vorsah, dass zehn Jahre lang nach der geplanten Reform des Hamburger Schulsystem nicht daran gerüttelt wird. Er hätte allerdings nur für den Fall gegolten, dass die Primarschule eingeführt wird.

Theoretisch könnten neue politische Mehrheiten in der Hamburger Bürgerschaft einen neuen Anlauf zu einer Schulreform nehmen - was aber nach der Volksabstimmungsniederlage mittelfristig ausgeschlossen werden kann. Die Schulreformgegner in der SPD arbeiten dem Vernehmen nach sogar daran, auch dem neuen Stadtteilschulsystem eine zehnjährige Schulfrieden-Bestandsgarantie zu verpassen.

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