Die Revolutionsfeiern sind ein großes Fest

LIBYEN Das nordafrikanische Land begeht trotz aller Probleme in Würde den 2. Jahrestag des Aufstands

AUS TRIPOLIS MIRCO KEILBERTH

Von Tadschura am östlichen Stadtrand von Tripolis bis zum Märtyrerplatz im Zentrum braucht man normalerweise eine Viertelstunde mit dem Auto. Seit Freitag steht der Verkehr durchgehend still. An der Uferstraße haben alle paar hundert Meter Anwohner, Milizionäre und Soldaten Kontrollpunkte aufgebaut. Die Fahrer zeigen geduldig ihre Ausweise und öffnen die Kofferräume.

„Ich habe mich vorgestern in den Bus nach Tripolis gesetzt, um am 17. Februar in der Hauptstadt den zweiten Jahrestag der Revolution zu sichern“, sagt der Student Mohammed aus Zuwara, während er mit seiner geschulterten Kalaschnikow den Wagen mit wild grölenden Jugendlichen durchwinkt. „Libya hurra“ – Libyen ist frei, erschallt es aus dem Stau, Wagen sind in Rot Schwarz und Grün geschmückt, ganz Tripolis ist ein Fahnenmeer in den neuen Nationalfarben Libyens.

Der 16-jährige Ahmed läuft mit einer Sprühdose an den Autos entlang und übersprüht den „Dschamahirija“- Schriftzug, der an einigen Kennzeichen noch an die überholte „Volksrepublik“ zu Zeiten des Exdiktators Muammar al-Gaddafi erinnert. „Wenn diese Tage friedlich verlaufen, ist die Revolution vorbei, dann müssen wir anfangen, unser Land wieder aufbauen“, schreit er lächelnd in den ohrenbetäubenden Lärm um ihn herum.

Gerüchte über Anschläge und eine Gegenrevolution von Anhängern des alten Regimes hatten das Land zuvor wochenlang in Atem gehalten. Hamsterkäufe, lange Schlangen an den Zapfsäulen und Stromausfälle erinnerten die Libyer an den Beginn des Krieges vor zwei Jahren. Nach Terrorwarnungen in Bengasi verließen letzte Woche fast alle Ausländer das Land.

Ein Nachbarschaftsfest

Es sind wieder einmal die Bürger, die ihr Land mit Eigeninitiative vor dem Absturz ins völlige Chaos bewahren. „Als wir hörten, dass sogar Fluggesellschaften nicht mehr nach Tripolis fliegen, haben wir unsere Freunde zusammengetrommelt und ein großes Zelt gemietet. Mit dem Nachbarschaftsfest wollen wir allen zeigen, dass Libyen ein friedliches und sicheres Land ist“, sagt der Ladenbesitzer Nassr Mahub aus Faschlum.

Auch in Bengasi wird seit dem 15. Februar durchgehend gefeiert. Das ist wohl einer Initiative des Lokalrates und mehrere Vertretern der Zivilgesellschaft aus Tripolis zu verdanken. Unter der Führung von Sadat Elbradi traf sich eine 26-köpfige Delegation mit den Föderalisten, die im Osten Libyens zu Demonstrationen für Autonomie und gegen die Regierung aufgerufen hatten.

Nach den Feierlichkeiten hängt die politische Zukunft Libyens nun von dem schleppend verlaufenden Verfassungsprozess ab. Eine 60-köpfige Kommission soll einen Entwurf erarbeiten, über den die Bürger im nächsten Jahr abstimmen sollen.