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KOMMENTAR VON INGO ARZT ÜBER GASFÖRDERUNGImagine there’s no fracking

In Deutschland gilt Fracking in der Umweltbewegung von vornherein als verbrannt

Fracking ist eine Umweltsauerei – und trotzdem wäre ein grundsätzliches Verbot in Deutschland falsch. Erst seit wenigen Jahren ist diese Technik der Erdgasförderung wirtschaftlich, Vorreiter sind die USA. Dort ist derzeit zu beobachten, wie sich eine gebeutelte Nation kollektiv an einem technologischen Heilsversprechen berauscht, wie zu den naivsten Zeiten der Atomenergie. Die neuen Gasquellen sollen das Land unabhängig von Importen machen, Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen, sogar die Staatsschuldenkrise lösen. Allerdings regt sich auch prominenter Widerstand: Die Künstlerin Yoko Ono ließ unter dem Titel „Imagine there’s no fracking“ im Dezember in der New York Times eine ganzseitige Anzeige gegen Fracking schalten.

In Deutschland gilt Fracking gerade in der Umweltbewegung von vornherein als verbrannt – eben wegen der Erfahrungen in den USA. Die sind tatsächlich schlimm. Seit fünf Jahren werden dort zügellos, ohne nennenswerte Umweltauflagen, Chemiecocktails in Schiefergestein gepresst, um die Gasproduktion anzukurbeln. Die Folgen: Trinkwasser wird verseucht, aus den Bohrlöchern entweicht so viel von dem Treibhausgas Methan, dass die Bilanz für das Klima wahrscheinlich negativ ausfällt. Das schreiben nicht Umweltfreaks, sondern renommierte Wissenschaftsmagazine.

Bundesumweltminister Altmaier macht genau das Richtige: Ein generelles Verbot stellt er zwar in Aussicht, hält es aber für zu früh – stattdessen will er ein Gesetz, das Fracking einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzieht. Das ist keine Lappalie, sondern ein Verfahren, das genug Einspruchsmöglichkeiten eröffnet, um Sauereien wie in den USA zu verhindern, und trotzdem die Technologie nicht abwürgt.

Mal andersherum gedacht: Erdgas ist, gemessen am gesamten Energieverbrauch in Deutschland – Transport, Wärme und Strom –, der nach Erdöl zweitwichtigste Energieträger. Er ist eine wichtige Säule der Energiewende, weil flexible Gaskraftwerke die schwankende Stromproduktion aus Wind- und Solarkraftwerken ausgleichen können und im Vergleich zu Kohlekraftwerken effizienter sind. Also einfach mehr Gas importieren und anderen Ländern die Risiken der Gasförderung überlassen? Besser wäre es, eine Fördertechnologie unter strengen Auflagen weiterzuentwickeln, um wenigstens einen Teil der Gasvorkommen in Deutschland zu erschließen.

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