Rechtsextremismus-Experte Hoffmann: "Manche Kita-Träger sind blauäugig"

Kita-Betreiber in Mecklenburg-Vorpommern müssen sich von nun an zur Verfassung bekennen. Richtig, findet Rechtsextremismus-Experte Günther Hoffmann.

Die NPD mischt mit: Kindererziehung in Mecklenburg-Vorpommern. Bild: dpa

taz: Herr Hoffmann, wer in Mecklenburg-Vorpommern eine Kita betreiben will, muss nun unter anderem folgenden Satz unterschreiben: "Ich bin bereit, mich jederzeit durch mein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen." Kann man so Nazis von Kindern fernhalten?

Günther Hoffmann: Zu einem gewissen Teil, ja. Die Protagonisten der Neonaziszene werden sich doch sehr scheuen, so einen Satz zu unterschreiben, weil sie damit ihre braunen Ideale verraten. Das merken Sie auch an den Reaktionen auf den Kita-Erlass. Die NPD, aber auch die sogenannten Freien Kameradschaften, fühlen sich massiv getroffen. Der Kita-Bereich sollte eines der Hauptagitationsfelder der Rechtsextremisten werden. Schon seit Jahren gibt es entsprechende Aufrufe.

Anlass für den Erlass waren konkrete Vorfälle. Im Dorf Bartow wollte ein NPD-Mitglied eine Kita übernehmen, in einem anderen Ort wollte die Frau eines NPD-Abgeordneten im Kindergarten "alte Haushaltspraktiken" vermitteln. Besorgniserregend - aber muss man deshalb gleich von allen ein Bekenntnis zur Verfassung verlangen?

berät Kommunen und die Landesregierung in Schwerin zum Thema Rechtsextremismus. Er lebt nahe Anklam.

Aus städtischer Sicht mag das übertrieben wirken, aber im ländlichen Raum sind die Angebote zur Kinderbetreuung dünn gesät. Seit einiger Zeit beobachten wir in Mecklenburg-Vorpommern, dass junge Leute aus dem neonazistischen Umfeld Ausbildungen in Erzieherberufen anstreben und sich gezielt auf dem Land um Stellen bewerben. Und einige Kita-Träger sind leider so blauäugig, dass sie nicht merken, mit wem sie es zu tun haben. Der Erlass wird da hoffentlich zu einer Sensibilisierung führen.

Trotzdem: Ist es nicht Aufgabe der Bürger vor Ort, sich gegen den Versuch einer Unterwanderung von Kitas, Sportvereinen und Feuerwehren zu wehren?

Natürlich ist das in erster Linie die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Wir haben hier aber mancherorts große Defizite, was das anbelangt. Die stillschweigende Akzeptanz rechtsextremer Umtriebe ist groß.

Der Verfassungsschutz spricht von 1.360 Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern, davon 400 NPDler. Mit so einem Häuflein soll man die Demokratie unterwandern können?

Wie gesagt: Die tatsächliche Gefahr kommt daher, dass bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein das demokratische Verständnis nicht sehr weit ausgeprägt ist. Die Zahlen des Verfassungsschutzes zur Größe der rechtsextremen Szene sagen dazu nichts aus. Die Ergebnisse bei Wahlen schon eher. Wir haben in vielen Orten zweistellige Ergebnisse für die NPD, und da steht nicht unbedingt nur eine Eins vor dem Komma.

Während manche den Kita-Erlass als ein Beispiel für den kämpferisch-wehrhaften Staat loben¸ fühlen sich andere an den Radikalenerlass aus den 70ern erinnert, mit dem Linksextremisten aus dem Staatsdienst ferngehalten werden sollten. Brandt sprach später von einem "kardinalen Fehler" seiner Regierung.

Ach was, das kann man nicht miteinander vergleichen. Dieser Kita-Erlass wird endlich zu der nötigen Auseinandersetzung mit der Problematik des Rechtsextremismus im Erziehungsbereich führen. Denn die Gefahr ist real. Über den Umweg eines angeblichen sozialen Engagements versuchen Neonazis, die Akzeptanz ihrer Ideologie zu steigern. Das dürfen wir nicht zulassen.

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