Alleinerziehenden-Anwältin über Sorgerecht: "Gleiche Rechte, gleiche Pflichten"

Edith Schwab, Vorsitzende des Verbandes der Alleinerziehenden (VAMV), sieht das neue Sorgerechtsurteil zugunsten der Väter kritisch, weil diese mehr in die Verantwortung müssten.

"Man kann Liebe nicht einklagen, aber man kann schon dafür sorgen, dass man sich die Lasten der Erziehung, die Verantwortung besser teilt." Bild: 75laura/photocase

taz: Frau Schwab, das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Regelung, nach der unverheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder erhalten, für verfassungswidrig erklärt. Wenn künftig beide Elternteile dieselben Rechte haben, ist das doch gerecht, warum sind trotzdem viele Frauen dagegen?

Edith Schwab: Das Gesetz bedeutet ja nicht, dass Männer mehr Verantwortung übernehmen sollen sondern lediglich, dass Väter, denen die Mutter das Sorgerecht – oft aus guten Gründen – nicht freiwillig überlassen möchte, sich nun in eine Rechtssituation einklagen können. Unter den nicht-verheirateten Eltern, um die es hier geht, haben bereits über 50 Prozent der Väter das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter. Zu den anderen 50 Prozent gehören aber unter anderem die Väter, die nur für eine Nacht lang Kontakt zur Mutter hatten, und Vergewaltiger. Auch die können sich nun einklagen.

Entlastet die neue Regelung nicht auch die Frauen, indem den Männern mehr Verantwortung eingeräumt wird?

wurde 1949 im oberbayerischen Penzberg geboren. Sie studierte Jura und arbeitet heute als Rechtsanwältin in Speyer. Seit 2001 ist sie Bundesvorsitzende des "Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter" (VAMV). In dieser Funktion vertritt sie etwa zweieinhalb Millionen Alleinerziehende.

Warum sollte ich als Mutter entlastet sein, wenn ich etwa für mein Kind einen Pass beantrage und den anderen zehn mal bitten muss, damit er die entsprechende Unterschrift leistet? Wenn ich alleine verantwortlich bin, geht das oft schneller.

Was wäre eine bessere Lösung?

Wenn man die bisherige Regelung nun definitiv abschaffen will, dann müssen aus unserer Sicht ganz klare Kriterien im Gesetz niedergeschrieben werden. Die Väter müssten etwa nachweisen können, dass sie eine enge Bindung zum Kind haben, bereits Verantwortung getragen haben und auch bereit sind, das weiterhin zu tun. Das ist aus unserer Sicht das mindeste, was Väter gewährleisten sollten, notfalls kann man so etwas über ein Sachverständigen-Gutachten prüfen.

90 Prozent der Alleinerziehenden sind Mütter, wollen die Männer denn überhaupt so häufig das Sorgerecht?

Da muss man differenzieren, zu diesen 90 Prozent gehören ja auch die geschiedenen Eltern, die alle das gemeinsame Sorgerecht haben. Die betrifft das Urteil ja gar nicht. Andererseits spricht die Zahl ja für sich: warum sind denn so viele Alleinerziehende Mütter? Weil die Väter keine Verantwortung übernehmen wollen. Weil Kinder in Deutschland immer noch Müttersache sind.

Glauben Sie nicht, dass Väter eher bereit sind Verantwortung zu übernehmen, wenn man ihnen – wie jetzt geschehen – mehr Rechte einräumt?

Nein. Diese Luftblase ist vor über zehn Jahren zerstoben. Wir haben seit 1998 das neue Kindschaftsrecht, das die gemeinsame Sorge auch nach der Scheidung mit sich brachte. Trotzdem verabschiedet sich statistisch gesehen jeder zweite Vater nach spätestens zwei Jahren, ein Drittel der Väter zahlt keinen Unterhalt. Sie sehen: mit der Übernahme von Verantwortung hapert es auf der ganzen Linie.

Trotzdem: Warum sollten Mütter mehr Rechte an ihrem Kind haben als die Väter?

Die Väter können natürlich die gleichen Rechte haben, dann müssen sie aber auch die gleichen Pflichten übernehmen. Sorgerecht und Sorgepflicht müsste eigentlich ein Synonym sein, aber das ist es nach unserem Gesetz nicht. Die Betreuung und Sorge für das Kind liegt nach wie vor bei den Müttern, die Väter gehen am Wochenenden mit den Kindern in den Zoo, weil sie gesetzlich nicht zu mehr verpflichtet sind. So etwas ist kontraproduktiv und hat mit Gleichberechtigung überhaupt nichts zu tun. Dazu kommt: die höchste Gewalt-Rate liegt innerhalb der Familien! Wo steht in dieser Frage eigentlich das Wohl des Kindes? Es heißt immer, der oberste Massstab sei das Kindeswohl, aber im deutschen Gesetz, das in dieser Frage praktisch ein Elternrecht ist, kommen die Kinder nur am Rande vor. Es sind die Eltern, die miteinander kommunizieren müssen.

Wenn die es aber nicht schaffen, miteinander zu reden, warum sollten sie dann ein gemeinsames Sorgerecht haben? Was müsste sich Ihrer Ansicht nach verändern?

Man müsste das Sorgerecht und die Sorgepflicht gesetzlich zusammenbringen, wer Rechte will, muss auch Pflichten übernehmen. Das wäre auch im Hinblick auf Unterhaltsrechte wichtig. So ein Gerichtsverfahren, wie es die Väter jetzt anstreben können, ist nicht leicht zu händeln, das setzt Mutter und Kind oft unter einen Wahnsinns-Stress.

Zur Sorge oder Liebe kann ich ja niemanden gesetzlich verpflichten.

Natürlich kann man Liebe nicht einklagen, aber man kann schon dafür sorgen, dass man sich die Lasten der Erziehung, die Verantwortung besser teilt. Im Moment wird aber einfach eine Rechtsposition gestärkt, das ist mir zu wenig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.