Neonazi verurteilt: Das Ende der Fahnenstange

Ein junger Neonazi hat bei der Ku'damm-Demo am 1. Mai einen Polizisten verletzt. Nun muss er für 15 Monate ins Gefängnis, es sei denn, er ändert in vier Monaten sein Leben.

Die Hoffnung erfüllte sich auch an diesem 1. Mai nicht. Bild: dpa, Arno Burgi

Ein Neonazi aus Frankfurt/Oder ist am Montag zu 15 Monaten Haft verurteilt. Er hat nach Ansicht des Amtsgerichts Tiergarten am 1. Mai auf dem Kurfürstendamm einem Polizisten mit dem Ende einer Fahnenstange ins Gesicht gestochen. Der Beamte war dabei an der Lippe verletzt worden. Das Gericht gewährte dem 19-Jährigen eine viermonatige Frist, um sein Leben zu ändern. Ansonsten werde die Strafe ohne wenn und aber vollstreckt, sagte der Richter bei der Urteilsverkündung.

Zusammen mit rund 300 anderen Neonazis war Michael H. am 1. Mai mit der S-Bahn unterwegs zu der angemeldeten Nazi-Demo in Prenzlauer Berg gewesen. Am S-Bahnhof Halensee waren die Rechtsextremen aber überraschend ausgestiegen, um über den Ku'damm zu ziehen. "Die gingen alle auf einmal schlagartig raus, ohne dass zuvor Absprachen erkennbar waren", berichtete der Polizist G. als einziger Zeuge vor Gericht. Er hatte die Gruppe als Zivilbeamter mit Polizei-Weste schon in der S-Bahn begleitet. Im Laufschritt sei die Gruppe den Ku'damm hinaufgelaufen bis etwa zum Olivaer Platz. Das sind 1,5 Kilometer.

"Irgendwann haben wir es dann geschafft, 100 bis 120 Leute zu umstellen", erzählte der Polizist. 15 bis 20 seien später aus dem losen Kessel ausgebrochen. Als er einem der Fliehenden nachgeschaut habe, habe er von rechts einen Schlag mit einem harten Gegenstand ins Gesicht bekommen. "Ich konnte nicht sehen, wer oder was das war", berichtete der Polizist. Es hätte durchaus auch der Schlagstock eines Kollegen sein können, so der Zeuge.

Michael H. war vor Ort erst viel später festgenommen worden - zwecks Personalienfeststellung zusammen mit rund 280 weiteren Teilnehmern der illegalen Spontandemonstration. Dabei wurde zunächst nur festgestellt, dass H. ein Palästinensertuch, einen Eastpack-Rucksack, sowie - wie rund 50 andere Neonazis auch - ein schwarzes Shirt trug, auf dem die Forderung "Todestrafe für Kinderschänder" samt einem Galgen abgedruckt war. Dass H. vor Gericht gestellt wurde, verdankt er Fotos und Videos, die von der Polizei und einem Passanten gemacht beziehungsweise von Nazis ins Internet gestellt wurden.

Darauf fiel H. den Ermittlern auf. Er ist nicht nur als gewaltbereiter Fußballfan polizeibekannt. Im Mai 2009 war er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er grundlos einen Mann zusammengeschlagen hatte. Auch Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Waffengesetz wurde ihm schon vorgeworfen. Am 11. Mai wurde er festgenommen und für sechs Wochen in Untersuchungshaft gesteckt.

Eindeutig sind die Beweise aber nicht. Nach Sichtung der beiden Videos sagte der Richter, der Tathergang sei gut abgebildet, der Täter jedoch nicht. Es sei nur zu erkennen, dass er wie der Angeklagte Tuch, Rucksack und das Nazi-Shirt trug, nicht aber sein Gesicht.

Für den Staatsanwalt war das ausreichend. Die Bilder belegten, dass H. mit einer Fahnenstange im Kessel gewesen sei. Und unter den 15 bis 20 Fliehenden sei niemand anderes zu erkennen, auf den alle Merkmale des Angeklagten zuträfen. Er forderte daher eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. H. selbst verweigerte jede Aussage. Sein Anwalt plädierte für Freispruch. "Sie können Recht haben", sagte der Verteidiger zum Staatsanwalt. Allerdings gebe es "nicht einen Beweis" dafür. Schließlich sei der Täter sei auf den Videos nur von hinten zu sehen. Der Richter sah das anders. "Ein Doppelgänger ist aufgrund der Indizien ausgeschlossen", sagte in der Urteilsbegründung.

H. bleiben nun vier Monate, um sich eine erneute Bewährung "zu verdienen", sagte der Richter. "Sie haben einen Job und eine Freundin mit Kind." Am besten sei es, wenn er sich erkennbar von der rechten Szene löse. Das wird nicht einfach. Zum Prozess wurde er von drei Männern begleitet, die den autonomen Nationalisten zuzuordnen sind.

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