Frau mit eigener Stimme

NACHRUF Charlotte Garbe war Vize der ersten Grünen-Fraktion Niedersachsens. Sonntag ist sie gestorben

Zuletzt war Charlotte Garbe nicht mehr ansprechbar – eine unerträgliche Vorstellung: Mit Worten gegen das Schädliche zu kämpfen, hatte ihr Leben geprägt. Sie war Vize-Vorsitzende der ersten Grünen-Fraktion im Niedersachsen-Landtag. Sonntag ist sie gestorben.

„Der Ruf der Grünen im Bereich des klassischen stofflichen Umweltschutzes“, so der Chef der Bundestagsfraktion Jürgen Trittin zur taz, „das war Charlotte Garbe.“ Tatsächlich war sie sogar Autorin des ersten erfolgreichen Antrags der Niedersachsen-Grünen, vielleicht des ersten Stoffverbots auf Landesebene überhaupt – über das, verklemmt und männerwitzig wie’s zu Ernst Albrechts Zeiten zuging, später nur verdruckst gespöttelt wurde. Es ging nämlich um Paradichlorbenzol, genauer: Um seinen Einsatz in Klosteinen. Auch in denen des Landtags. Seit fast 30 Jahren ist das in Niedersachsens öffentlichen Gebäuden nun passé: Obwohl im Parlament isoliert wie nur was, gewannen die Grünen die Abstimmung. Garbe hatte wohl bei den witzelnden Abgeordneten die Sorge um ihre Nerven und Lebern geweckt.

Garbe stammte aus Thüringen. Ihr Lebensweg verlief, kriegsgenerationstypisch verschlungen. Neben überlebenssichernden Jobs in der Pflege bildete sie sich selbst naturwissenschaftlich fort – bis sie später fachliche Diskurse prägte, erst im Landtag, ab 1986 auch im Bundestag. Dort lieferte sich die Grünen-Obfrau im Umweltausschuss hitzige Streits mit dem damaligen Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) ums toxische Erbe der DDR.

Als Garbe, bis dahin Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz, 1982 erstmals ins Parlament kam, war sie 53 Jahre alt – ältestes Fraktionsmitglied, und eine von zwei Frauen einer dem Machismo zugetanen Fraktion. „Vor ihr hatten wir Respekt“, so Georg Fruck, Hauptvertreter dieser Tendenz. „Sie bewegte sich fern aller Grünen-Phraseologie.“ Eine Frau mit eigener Stimme. Nicht prominent. Aber wichtig.  BES