Elbvertiefung: Baggerpläne unter Beschuss

Selbst Bundesbehörden bemängeln jetzt die Planungen zur Tieferlegung der Unterelbe - wegen Verstößen gegen das EU-Naturschutzrecht. Umweltverbände sehen Hafenkooperation als Alternative.

So könnte es bleiben: die Elbe im Ist-Zustand vor der Haseldorfer Marsch. Bild: dpa

Manfred Braasch ist sicher: "Das Planverfahren zur Elbvertiefung ist nicht mehr zu retten", sagt der Geschäftsführer des Hamburger Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das Bundesverkehrsministerium und die Hansestadt Hamburg seien gut beraten, "ihren Antrag zurückzuziehen". Wesentliche Vorschriften des europäischen Naturschutzrechts hätten die Planer der Elbvertiefung "schlicht ignoriert", ergänzt Beatrice Claus von der Umweltstiftung WWF - mit der Folge, dass viele der vorgesehenen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen unzureichend seien.

Dabei berufen sich die beiden Umweltverbände auf die Stellungnahmen von Fachbehörden und norddeutschen Landkreisen, die zu den Planunterlagen eingereicht worden sind. Diese wurden in der dritten Überarbeitung im Sommer öffentlich ausgelegt, die Einwände und Einschätzungen aller Betroffenen liegen jetzt vor. Sie sollen in die Unterlagen eingearbeitet werden. Nach einem förmlichen Planfeststellungsbeschluss soll, so der amtliche Zeitplan, in etwa einem Jahr mit den Baggerarbeiten begonnen werden.

Das Bundesamt für Naturschutz in Leipzig allerdings urteilt jetzt über die Umweltverträglichkeit des Vorhabens: "Die Unterlagen sind nicht konsistent und werden nochmals aufzubereiten sein". Bemängelt wird, dass keine Verträglichkeitsprüfung mit der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) vorgenommen wurde, obwohl diese "aus naturschutzfachlichen Gründen dringend erforderlich" sei. Braasch glaubt, das sei "nach fünf Jahren Planung und drei Korrekturversuchen der Todesstoß für das Vorhaben".

Die Unterelbe soll auf 120 Kilometern - zwischen Cuxhaven und Hamburg-Altenwerder - um etwa einen Meter vertieft werden.

Ausbauziel: Containerfrachter mit einem Tiefgang bis zu 13,50 Meter sollen jederzeit den Hamburger Hafen anlaufen oder verlassen können. Ein Tiefgang von 14,50 Metern soll tideabhängig, also bei auflaufendem Wasser, möglich sein.

Ausbaumenge: Etwa 38,5 Millionen Kubikmeter Sedimente, fast ausschließlich Sand, sollen ausgebaggert werden.

Ausbaukosten: Die Gesamtkosten werden zurzeit mit rund 385 Millionen Euro angegeben. Davon trägt mit 248 Millionen Euro den größten Teil der Bund, auf Hamburg entfallen die restlichen 137 Millionen Euro.

Zudem kann Hamburg auch im Umland auf keinerlei Unterstützung zählen. So sollen mehrere ökologische Ausgleichsmaßnahmen auf dem schleswig-holsteinischen Ufer am Nebenfluss Stör vorgenommen werden. Der Landrat des zuständigen Kreises Steinburg jedoch teilt schlicht mit, nach dem Wasserhaushaltsgesetz seien "sämtliche Maßnahmen nicht zulässig und werden von mir als zuständige Wasserbehörde abgelehnt". Der Landrat des niedersächsischen Kreises Cuxhaven sagt, dass alle an den ersten beiden Planungsversionen "aufgezeigten Mängel auch weiterhin bestehen".

Von "weiterhin erheblichen Mängeln" und einem ökologischen "Kompensationsdefizit" spricht der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Und das Staatliche Fischereiamt Bremerhaven kommt nach Darlegung der wirtschaftlichen Nachteile der Elbvertiefung für die Fischereibetriebe zu dem Schluss: "Das Gesamtprojekt wird abgelehnt".

BUND und WWF fordern deshalb, "die Ignoranz der Rechtslage" zu beenden und die Pläne für die Elbvertiefung zu begraben. Stattdessen solle Hamburg die Kooperation mit dem künftigen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven suchen. Der Tiefwasserhafen an der Nordsee soll 2012 in Betrieb gehen. Es sei höchste Zeit für die neuen Regierungschefs David McAllister (Niedersachsen) und Christoph Ahlhaus (Hamburg), "alte Rivalitäten zu beerdigen und zu einem gemeinsamen norddeutschen Hafenkonzept zu kommen".

Auch die Grünen-Fraktion im Hannoverschen Landtag fordert, "Hamburg anzubieten, sich am Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven zu beteiligen". Hamburg könne dann auf eine weitere Vertiefung der Elbe verzichten. Das wäre ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Kooperation der norddeutschen Häfen, findet die hafenpolitische Sprecherin der Grünen, Elke Twesten.

Hamburgs neuer Wirtschaftssenator Ian Karan bekräftigte am Donnerstag bei seinem Amtsantritt in der Behörde: "Zuallererst der Hafen, das ist das Herzstück." Die Elbvertiefung wolle er, wie sein Vorgänger, weiter vorantreiben: "Ich werde daran anknüpfen und weiter am Ball bleiben".

Die für die Planung zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel und auch das übergeordnete Bundesverkehrsministerium in Berlin sahen sich zu einer Stellungnahme nicht in der Lage.

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