: Diplomatie soll Atomstreit lösen helfen
Im Konflikt mit Iran wollen die USA und das EU-Trio vorerst auf die Anrufung des UN-Sicherheitsrates verzichten. Widersprüchliche Signale aus Teheran deuten auf internen Machtkampf hin. IAEO-Gouverneursrat tagt diese Woche
VON BAHMAN NIRUMAND
Der Streit um das iranische Atomprogramm soll vorläufig nicht vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautete, seien die USA und das EU-Trio, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, darin übereingekommen, bei der Tagung des Gouverneursrats der Internationalen Atombehörde (IAEO) am kommenden Donnerstag in Wien nicht die Einschaltung des Weltsicherheitsrats zu beantragen. Man wolle zunächst der Diplomatie eine weitere Chance geben.
Zwar sei Washington nach wie vor der Überzeugung, dass „angesichts des iranischen Verhaltens in der Vergangenheit der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet werden sollte“, sagte US-Außenamtssprecher Sean McCormack am Montag in Washington. Man wolle jedoch abwarten, „was die Diplomatie in den nächsten Tagen bringt“. „Wir behalten uns das Recht vor, einen entsprechenden Vorstoß zu einem Zeitpunkt unserer Wahl zu unternehmen. Auch aus Brüssel hieß es, man wolle, „solange das Fenster für eine diplomatische Lösung offen ist“, auf die Anrufung des Sicherheitsrats verzichten.
„Das Fenster“ ist ein Vermittlungsvorschlag Russlands, zu dem auch Washington und Brüssel Zustimmung signalisiert haben. Demnach soll Iran gestattet werden, die Umwandlung von Uranerz in das Gas Uran-Hexafluorid im eigenen Land vorzunehmen. Die eigentliche Urananreicherung soll dann aber in Russland erfolgen. Dieser Vorschlag kommt dem Wunsch der IAEO nahe, grundsätzlich den Brennstoff für die friedliche Nutzung der Atomenergie an bestimmten, international festgelegten Orten, die unter vollständiger Kontrolle der Atombehörde stehen, herzustellen.
Teheran hat sich bislang zu dem russischen Vorschlag noch nicht eindeutig geäußert. Während Irans Atombeauftragter und Vizepräsident Gholamreza Aghazadeh in der vergangenen Woche den Vorschlag ablehnte, erklärte Außenamtssprecher Hamid Reza Assefi, ein Vermittlungsvorschlag sei Iran nicht vorgelegt worden. Allerdings betonte auch er, Iran werde auf sein Recht, den vollständigen Brennstoffkreislauf im eigenen Land herzustellen, keinesfalls verzichten.
Indes hat das mehrheitlich von Konservativen besetzte Parlament in Teheran einem Entwurf zugestimmt, in dem die Regierung aufgefordert wird, das Zusatzprotokoll des Atomsperrvertrags zu kündigen, falls der IAEO-Gouverneursrat den Streit an den UN-Sicherheitsrat überweisen sollte. Das Zusatzprotokoll erlaubt der IAEO, unangemeldete Kontrollen von Nuklearanlagen.
Teherans Vorgehensweise ist äußerst widersprüchlich. Während der radikal-islamistisch eingestellte Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad einen kompromisslosen Kurs steuert – so hatte er unter anderem gefordert, Israel solle von der Landkarte getilgt werden –, senden mächtige graue Eminenzen dem Ausland Signale, dass andere im Land das Sagen haben.
Tatsächlich machte Teheran in den vergangenen Wochen erstaunliche Zugeständnisse. Anfang November wurden den IAEO-Inspektoren die Tore der Militäranlage Parchin, bisher ein absolutes Sperrgebiet, geöffnet. Ihnen wurde auch erlaubt, iranische Atomexperten zu verhören. Ferner wurden der IAEO bisher geheim gehaltene Unterlagen ausgehändigt. Dabei lagen, ob beabsichtigt oder aus Versehen, auch Dokumente, aus denen hervorgeht, dass Iran in den 80er-Jahren von pakistanischen Mittelsmännern Pläne zum Bau von Bestandteilen einer Atombombe erhalten hat.
Zu guter Letzt ist Teheran drei Tage vor der entscheidenden IAEO-Sitzung der Aufforderung nachgekommen, die umstrittene Atomanlage in Isfahan stillzulegen, wenn auch unter dem Vorwand, die Anlage müsse repariert werden. Gerüchte besagen sogar, dass bereits seit Wochen zwischen Teheran und Washington geheime Verhandlungen laufen.
Es könnte durchaus sein, dass diese Widersprüche auf eine gut ausgetüftelte Doppelstrategie mit verteilten Rollen zurückzuführen sind. Doch der derzeitige harte innere Machtkampf im Iran deutet eher auf etwas anderes hin: dass mächtige Kräfte den Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der das Land nicht nur außenpolitisch in eine tiefe Krise gestürzt, sondern mit innenpolitischen, populistischen Maßnahmen den Staatsapparat und die Wirtschaft praktisch lahm gelegt hat, in die Schranken weisen wollen. Manche Beobachter vermuten sogar, sein baldiger Sturz solle herbeigeführt werden.