UNTER DEM LADENTISCH
: Der Spielehändler

Ich konnte die R3-Taste nicht finden

Irgendwie hatte der Tag keinen Sinn mehr. So ging ich hinaus; erst zu Kaisers, wie jeden Tag, und dann zum Spielehändler. Der Spielehändler hatte einen zu ihm passenden Kollegen. Beide sahen in etwa so aus, wie man sich Spielehändler vorstellt. Tags zuvor verkaufte er mir „Call of Duty“, nachdem ich ihn, tatsächlich auch aus beruflichem Interesse, nach einem guten Ballerspiel gefragt hatte. Er sagte, „Call of Duty“ werde mir sicher gefallen und ich könne es auch zurückbringen, wenn es mir nicht gefalle.

„Call of Duty“ spielt in Frankreich nach dem D-day. Man ist ein amerikanischer Soldat und muss mit unterschiedlichen Dingen wild um sich schießen. Aber auch gezielt. Ich merkte sofort, dass es nichts für mich ist; ich hatte den Kriegsdienst ja tatsächlich aus Gewissensgründen verweigert, und irgendwie widerte es mich auch im Spiel an, auf Leute zu schießen. Außerdem hatte ich die R3- und die L3-Taste nicht gefunden. Ich ging also zum Spielehändler und sagte, das sei nicht so meins, und erwähnte auch, dass ich schreibe und mich deshalb für derlei interessiere.

Dann war es so, wie man sich früher spezielle Videotheken vorstellte, mit Männern im Trenchcoat, die augenzwinkernd nach etwas Besonderem fragen. Unter dem Zeichen der Verschwiegenheit präsentierte mir mein Händler allerlei „Leckerbissen“, die er auf dem Ladentisch ausbreitete; nur kurz, denn es könnte ja jemand kommen und gucken.

Die besonderen Spiele kosteten doppelt so viel wie die anderen und waren bei Ebay, wie er mir gleich zeigte, noch teurer. Ich sagte „vielleicht ein andermal“, und dass ich am meisten Lust habe, irgendwas mit Fliegen oder ein Autorennspiel zu spielen. Als ich nach einem letzten Rundgang durch seinen Laden erwog, mir das alte „Pong“ zu kaufen, schaute er mich an, als sei ich komplett bescheuert. DETLEF KUHLBRODT