Hebammen: Geburten rechnen sich nicht

Jede zehnte freiberufliche Hebamme, die Frauen bei der Geburt betreut, hat wegen einer teuren Haftpflicht seit Juli aufgegeben. Heute rufen sie zur Mahnwache.

So wird es gemacht! Hebamme zeigt den Wickelgriff Bild: dpa

Das Geburtshaus Pankow ist ein Geburtshaus ohne Geburten. Im vergangenen Jahr kamen hier noch rund 50 Kinder zu Welt. Jetzt nicht mehr. "Die Haftpflichtversicherung kostet für jede Hebamme seit Juli 3.700 Euro pro Jahr. Das lässt sich mit 50 Geburten nicht erwirtschaften", sagt Sabine Witt. Also beschränken sich sie und ihre drei Kolleginnen auf die Vor- und Nachsorge, auf Rückbildungs- und Yogakurse. "Die Haftpflicht kostet so nur ein Zehntel", sagt Witt. Trotzdem ist sie traurig. "Es fehlt das Herzstück unserer Arbeit. Wir hoffen, dass wir irgendwann wieder Geburtshilfe anbieten können."

Rund 400 der 4.000 freiberuflichen Hebammen in Deutschland, die Geburten begleiten, haben seit der Erhöhung der Versicherungsprämie aufgegeben, sagt Edith Wolber, Sprecherin des Deutschen Hebammenverbands, gegenüber der taz. Seit Juli ist ihre Berufshaftpflicht - aufgrund ebenfalls gestiegener Schadenersatzansprüche vor allem von Krankenkassen - von 2.370 Euro pro Jahr auf knapp 3.700 Euro angestiegen. Betroffen sind Beleghebammen, die mit Frauen ins Krankenhaus gehen, aber auch Hebammen für Hausgeburten oder die in den Geburtshäusern arbeiten - also all jene, die Babys auf die Welt holen, aber nicht in einer Klinik angestellt sind. Mit einer Mahnwache wollen sie am heutigen Donnerstag um 14 Uhr vor dem Bundesgesundheitsministerium auf ihre Situation hinweisen.

Auch in Berlin hat laut Wolber jede zehnte Hebamme das Handtuch geschmissen. 483 selbstständige Hebammen gibt es laut dem Verband, nur 124 machen auch Geburtshilfe. "So eine Hebamme kann 30 Frauen im Jahr betreuen", sagt Jitka Weber vom Berliner Hebammenverband. Nun könnten 300 bis 400 Geburten weniger begleitet werden.

In manchen Krankenhäusern machen sich Auswirkungen bereits bemerkbar: 2 von 15 Beleghebammen hätten wegen der höheren Versicherung aufgehört, berichtet eine Mitarbeiterin des Vivantes-Klinikums Neukölln. Von ihren 20 Kolleginnen seien zwar noch alle dabei, sagt Marion Brüssel, Hebamme im Krankenhaus Havelhöhe. "Aber für die, die aus der Elternzeit zurückkommen und weniger arbeiten wollen, wird es schwierig." Der Versicherungssatz sei unabhängig von der Stundenzahl. "Das rentiert sich nur, wenn man richtig viel arbeitet." Sie hofft, dass die Klinik einen Teil übernehme, so Brüssel. "Derzeit sind wir in Verhandlungen."

Nicht alle Hebammen regen sich über die neuen Haftpflichtsätze auf. "Unsere Versicherung lag für den medizinischen Bereich bisher weit unter allen anderen", sagt Bärbel Galeitzke vom Geburtshaus Kreuzberg. Auf etwa 4.000 Euro brutto im Monat komme eine Hebamme bei ihnen im Schnitt. "Was wir tun, wird durchaus honoriert."

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