Renate Künast will in Berlin kandidieren: "Ich bin bereit"
Renate Künast will nun offiziell Regierende Bürgermeisterin werden. Bei ihrer Kandidatur verspricht sie eine Stadt für alle und greift den rot-roten Senat an.
"Ich bin bereit, ich kandidiere für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin". Um 19:24 Uhr am Freitagabend war der Satz raus. Nach fast einem Jahr ohne jeglichen Kommentar zu allen Mutmaßungen, Spekulationen und Gerüchte hat Renate Künast, Noch-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, energisch ihren Anspruch auf die Regierungsübernahme bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 angemeldet. Mehrere hundert Anhänger und Parteifreunde begleiteten ihren rund einstündigen Auftritt im Museum für Kommunikation mit frenetischem, minutenlangem Beifall.
Freundlicher, aber noch weit leiserer Beifall hatte den Einzug der 54-jährigen eine Stunde zuvor begleitet. Es sind längst nicht nur Grüne und Politiker, die ihren Weg säumen. Eric Schweitzer steht in der Menge, der IHK-Präsident, DGB-Landesvize Christian Hoßbach. Man pflege den Kontakt zu allen relevanten Parteien, sagt Hoßbach und staunt über das Ambiente der Krönungsmesse: Blau erleuchtet die gläserne Kuppel, grün die Galerie und der Hintergrund des Podium. "Für Berlin" steht drauf. Sein Fazit: "Von der Inszenierungskunst hier können wir noch was lernen."
Es wirkt daher etwas kurios, als Grünen-Landeschef Stefan Gelbhaar die Gäste mit dem Hinweis begrüßt; "Bei uns stehen die Inhalte immer noch im Vordergrund." Es ist Künast, deretwegen die geschätzt 700 bis 800 im Foyer und auf der Galerie an diesem Abend gekommen sind, und von der sie hören wollen, dass sie ihre Kandidatur verkündet. Sie wird sie lange zappeln lassen, schwärmt erst von Berlin, an das sie ihr Herz verloren habe, wohin sie vor 30 Jahren kam, weil sie aufbrechen wollte. Jetzt sei es wieder Zeit aufzubrechen - "weil Berlin mehr verdient hat als lustloses Regieren", lautet ihr erster Hieb gegen den rot-roten Senat.
Der Blick von Künasts Redepult im Foyer des Museums für Kommunikation geht auf eine Lücke in der Galerie. Eine Postkutsche hängt dort in der Luft, die Deichsel weit Künast entgegen ragend. "Ein Wechsel der Perspektive verändert die Form der Dinge", haben die Museumsleute dazu getextet. Auch Künast will hörbar auf Reisen gehen, Berlin nach vorne bringen, eine andere Perspektive einnehmen.
Sie zieht ein depremierendes Fazit aus vielen Gesprächen, die sie geführt haben will, berichtet von Eltern, die vergeblich nach einem Kita-Platz suchen, von motivierten Schülern, die durch runter gekommene Schulen entmutigt werden, von Arbeitslosen, die keine Perspektive sehen, von Migranten, die davon besonders betroffen sind. "So kann es mit Berlin nicht weiter gehen", sagt Künast. "Es ist unsere Stadt, und wir können sie nicht länger rum dümpeln lassen."
Ihr Programm soll auf einem Grundsatz basieren: Eine Stadt für alle, und so heißt auch die Internetseite zu ihrer Kandidatur. Den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nennt sie nicht beim Namen, sie belässt es dabei, seinen viel zitierten Spruch "Berlin ist arm, aber sexy" aufzugreifen. Darüber könne nicht lachen, wer arm und ohne Arbeitsplatz sei. "Wir können natürlich nicht Reichtum für alle versprechen", macht sie über ein ein Wahlversprechen der Linkspartei lustig, um ernst fortzufahren: "Aber Armut für alle ist zu wenig."
Nach fast einer Stunde, in der sie rund 150 Mal das Wort Berlin sagt, pausiert sie einen Moment, als sie auf die Wahl am 18. September 2011 zu sprechen kommt und erkennen lässt, dass jetzt die entscheidenden Worte folgen, auf die der Saal wartet, seit sie ihn betreten hat: "Ich bin bereit, ich kandidiere …"
Leser*innenkommentare
Dr. rer. Nat. Harald Wenk
Gast
Mit eigener Regierungsmacht in Europa, Bund, Land, den Kommunen und sonst überall den Sozialabbau und die Finanzmarktderegulierung betreiben und dann die
notwendigerweise und voraussehbaren resultierenden Probleme als
unerträglich geißeln und sich so als "Brandstifter als Feuerwehr anzudienen", ist leider bei den GRÜNEN zu veralltäglicht, als dass man noch auf eine realistische Selbstwahrnehmung dieses UNTUNS auch nur hoffen könnte.
Dabei bleibt dann sogar die Gesundheit der Bevölkerung und die Ökologie auf der Strecke.
Aber siehe, sogar dieses Stück Realitätswahrnehmung dringt nicht durch.
Die Produktivitätsfortschritte zur Verstärkung aktivistischer REPRESSION zur eigenen Politpraxis all überall zu machen, zuvörderst mit der Fetischpeitsche Geld und dessen Verknappung, privat, staatlich, lässt philosophische Anwandlungen einiger Theoretiker in Richtung GRÜNENunterstützung
als historische Fehladressierung deutlich werden.
Rechts-Hinten, Herr verstorbener Berliner Ökosozialist Professor Bahro, ist ihre frühere Partei gelandet.
noevil
Gast
Viel Glück Frau Künast, ich drück Ihnen die Daumen. Aber, falls es klappt, eine Lehre aus Obama's Drama: stellen Sie bitte nicht Ihr Licht unter den Scheffel wie er, trotz so viel Erreichtem. Das Erreichte -nicht das Ererbte- muss sehr laut publiziert werden, sonst wird es gar nicht wahrgenommen.
Günther
Gast
Endlich!
Man kann es sich nur wünschen daß sie es schafft, an solch eine große Sache zu kommen. Dann wird man sehen wie grünes Gedankengut ins reale Leben passt. Bin gespannt auf die Umsetzung jahrzehntelanger Forderungen in der Opposition heraus, wo das Geld dazu herkommt, und auf die Formulierungen und Ausreden wenns nicht oder nicht ganz so schnell umzusetzen ist wie mal bisher lautstark gefordert hat. Ich wünsche der "Renade" dennoch aufrichtig viel Glück und Durchhaltevermögen und daß es besser wird als bisher mit den rot-roten Versagern die den Mißstand nur verwaltet haben.
Michael C.Anton
Gast
Renate Künast war eine hervorragende Verbraucherschutz-
und Landwirtschaftsministerin.Und das sollte sie auch
bald wieder zu unser aller Nutzen werden.Aber diese
ständig mit einem aggressiv-frustrierten Gesicht herum
laufende Frau als Nachfolgerin des weltgewandten Wowi?
Lieber Berliner,tut dem Rest der Republik das nicht an!
BerlinaWoman
Gast
Ich hab sie am 5.11. bei der Verkündigung ihrer Kandidatur in den Tagesthemen gesehen. Welch wandelnde Sprechblase.
patrick kogge
Gast
und dann steht uns en grün /schwarzes
rathaus bevor - na mahlzeit.
Stefan Unger
Gast
Bei der Wahl zwischen "Wowi" und "Küni" hoffe ich zunächst einmal sicher vergebens, dass da noch ein "richtiger" KandidatIn auftaucht.
Bleibt es da bei - bitte, bitte Wowi unterstützen, denn:
Beide repräsentieren das gleiche "Kompetenz""niveau", Wowi ist aber träger und auch weniger dogmatisiert, wird also weniger Schaden anrichten als seine Gegenspielerin.
Oder doch Küni, um Grün mal so richtig abwirtschaften zu lassen? Das ist schon mehr als einmal schief gegangen.
JML
Gast
Was für ein trauriger Haufen, diese berliner Grünen, selbst wenn Sie seit einiger Zeit dieses Sanyasin-Grinsen durch die Gegend tragen.
Unerträglich die Statements der Parteimitglieder im TV. Das war bestimmt nicht leicht, sie aus ihrer Buckelhaltung heraus zu bekommen
Was für eine üble Entwicklung.
Es ist an der Zeit, dass wir noch einmal versuchen, diese Politikerkaste und ihre Speichellecker abzuschaffen.
atze grün
Gast
Ich hoffe die "Alternative Liste" ist noch in ihrem Kopf! Dann könnte es etwas gutes werden!
vic
Gast
Au wei.
Künast als Türöffner für die CDU in Berlin. Besser kanns für die Schwarzen gar nicht laufen.
Ich drück schon mal Wowereit die Daumen.
rai
Gast
Es ist schon eine kleine Zeitenwende, wenn eine Grüne zum ersten Mal die Volksparteien herausfordert und Anspruch auf einen Ministerpräsidentenposten erhebt. Die Sozen werden mächtig nervös und die Jusos klagen Künast an, einen Fisch getötet zu haben (bevor sie ihn gekocht hat). Vielleicht sollte man im Wahlkampf und beim Regieren noch mehr Kreativität zeigen als die SPD. Künast kann das bestimmt.
JoHnny
Gast
werte frau künast,
wer sich wg. kalter füße so lange warmläuft, sollte sich seine polit-entscheidungen gut überlegen, um im grünen bereich zu bleiben.
mfg