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Nur 90-Prozent bei Parteichef-WiederwahlCDU verlängert Merkels Laufzeit

Angela Merkel ist als CDU-Parteivorsitzende wiedergewählt - verliert aber im Vergleich zur letzten Wahl an Zustimmung. Schwarz-Grün erteilt sie eine klare Absage.

Unangefochten an der Parteispitze der CDU: Kanzlerin Angela Merkel. Bild: dapd

Die Opposition, ruft Angela Merkel so kämpferisch, wie sie es kann, "macht Mist". Tausend Delegierte jubeln. Merkels Parteitagsreden sind eigentlich berüchtigt für ihre Ausgewogenheit. Doch jetzt, im von Merkel ausgerufenen "Herbst der Entscheidungen", will die CDU-Chefin markig und entschlossen wirken. Deshalb agitiert sie gegen die Opposition.

Die SPD sei auf der "Flucht vor der Realität", die Grünen seien "immer nur dagegen". Die Delegierten danken es ihrer Chefin später mit einem passablen Ergebnis. Sie bekommt 90,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Vor zwei Jahren hatte Merkel noch fast 95 Prozent bekommen.

Aber über 90 Prozent, so die Einschätzung, ist eingedenk der verlorenen NRW-Wahl, der miesen Performance von Schwarz-Gelb und bescheidener Umfragewerte für die CDU ein Erfolg für Merkel. Merkels Generalsekretär Herrmann Gröhe bekommt mit 90,3 Prozent fast das gleiche Ergebnis wie seine Chefin.

Offenbar gefällt den Christdemokraten, dass Merkel einen Gegner ins Visier nimmt: Rot-Rot-Grün. Es sei eine Aufgabe "von historischer Tragweite" für die CDU, so Merkel, diese Regierung zu verhindern. Denn dort verlaufe die neue Front: Schwarz-Gelb gegen Rot-Rot-Grün. Alle anderen Koalitionen, etwa Schwarz-Grün, so Merkel, seien "Hirngespinste". So drastisch hat sich Merkel noch nie gegen Schwarz-Grün gewandt.

Merkel will für Geschlossenheit sorgen. Im März stehen Wahlen in Baden-Württemberg an, die Umfragen für die CDU sind miserabel. Schwarz-Grün ist in Baden-Württemberg wegen Stuttgart 21 und der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke vom Tisch. Deshalb grenzt sich Merkel so ungewohnt scharf gegen die Grünen ab.

Zwischen sie und Stefan Mappus, den konservativen CDU-Ministerpräsidenten in Stuttgart, soll kein Löschblatt passen. Die CDU scheint in den Grünen derzeit mehr noch als in der SPD ihren eigentlichen Gegner zu sehen.

Stefan Mappus formuliert es härter. Es gehe bei Stuttgart 21 nicht bloß um einen Bahnhof, sondern darum, "ob wir Deutschland den Blockierern und Verhinderern überlassen". Wahrscheinlich seien die Grünen, höhnt Mappus, "demnächst auch gegen neue Radwege".

Das ist die Erzählung, mit der die CDU sich retten will: In dem Kulturkampf um die Durchsetzung neuer Infrastruktur- und Energieprojekte stehen Grüne und SPD auf der einen Seite der Barrikade, auf der anderen garantiert nur die CDU Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Leiser Widerspruch gegen das Grünen-Bashing kommt nur von dem zur CDU übergetretenen Ex-Grünen Oswald Metzger. Er sagt, dass ein pauschales Nein zu Schwarz-Grün mit Blick auf die existierenden Koalitionen in Hamburg und im Saarland unklug sei.

Merkel gibt zu, dass Schwarz-Gelb "im Stil, nicht in der Sache" Fehler gemacht habe. Viele, die elf Jahre auf Schwarz-Gelb gewartet hatten, seien "enttäuscht" worden. Aber diesen Streit habe man nun überwunden.

Merkel verteidigt, unter Beifall der Delegierten, auch ihr Nein zu Steuersenkungen, die die FDP und der Wirtschaftsflügel der CDU gefordert haben. Der Abbau der Neuverschuldung gehe vor. Die Antragskommission des Parteitags hatte Versuche der Mittelstandsvereinigung der Partei, Steuersenkungen durchzusetzen, im Vorfeld abgelehnt.

Beifall bekam Merkel auch für ihre Verteidigung der Exportüberschüsse Deutschlands. "Wir lassen uns auch nicht dafür prügeln, dass wir gute Produkte in die Welt exportieren, made in Germany." Sie werde sich auf G-20-Gipfeln weiter gegen Begrenzung von Exportüberschüssen wehren, die die USA anstreben.

Merkwürdig unemotional fällt der Abschied von Merkels alten Konkurrenten Roland Koch und Jürgen Rüttgers aus, die bisher Vizeparteichefs waren und sich aus Politik und Partei verabschieden. Merkel überreicht beiden ein Buch: Koch bekommt ein Werk des englischen Konservativen Edmund Burke, Rüttgers ein Buch über "Die Arbeiterfrage und das Christentum".

Merkel lässt bei diesem Abschied nicht unerwähnt, dass man "nicht immer einer Meinung" war. Die Neigung zu Meinungsverschiedenheiten mit Merkel dürfte bei der neuen CDU-Spitze wesentlich geringer ausgeprägt sein.

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12 Kommentare

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  • M
    Michael

    Ähm, das waren keine 90%.

     

    Sondern nur 88,7%.

     

    Zahlen von n-tv.de:

    "Bei der Wiederwahl Merkels wurden insgesamt 952 Stimmen abgegeben, ungültig waren 3. Mit Ja stimmten 842, mit Nein 89 Delegierte, 18 enthielten sich."

     

    Rechnen wir doch mal nach: 842/(842+89+18)*100% = 88,7%

     

    Da hat die CDU halt mal noch eben die Enthaltungen dazu addiert um über die psychologisch wichtigen 90% zu kommen.

     

    via fefe

  • IN
    Ihr Name Dieter Hatzfeld

    Die Laufzeitverlängerung für Frau Merkel wird mehr Abfall/Schrottproduzieren als jedes AKW.

    Hoffentlich stinkt er nur bis zum Wahltermin 2013 und wird dann gründlich entsorgt!!

  • FG
    Friedrich Grimm

    Frau Merkel verwechselt schon mal gerne was. Mal ist es Brutto vom Netto oder umgekehrt und dieses Mal ist es die Sache, die ihre Regierung angeblich gut gemacht hat. Kann mir ein Mensch eine einzige vernünftige (Sache) Entscheidung nennen, die diese Regierung Merkel in diesem einen Regierungsjahr hinbekommen hat? Falls ja, dann war es mit Sicherheit eine Entscheidung im zweiten oder gar dritten Schritt, die durch Fremdbestimmung durchgedrückt wurde. Der groß angekündigte Herbst der Entscheidungen bringt für den Großteil der deutschen Bevölkerung nur Verschlechterungen. Und dann die "Herren und Damen" Delegierten, die Klatschbataillone der Partei. Die würden auch noch klatschen, wenn Merkel und ihr Adliger von und zu Jauche auf sie herab regnen lassen würde. Ach ja, was man doch alles für den Machterhalt zu tun bereit ist!

  • C
    Celsus

    Es wird sich jetzt auch niemand finden, der das sinkende Boot an Stelle der derzeitigen Kanzlerin in die Wahl führt.

  • A
    Alleswisser

    Ich glaube, dass die CDU auf diesem Parteitag gemerkt hat, dass sie den Weg der SPD gehen wird, den Weg weg von hohen Prozentzahlen bei Wahlen. Ich erwarte dass insbesondere Herrn Röttgen seine Schadenfreude, die er angesichts von Ypsilantis Desaster in Hessen geäußert hat, in absehbarer Zeit ins eigene Kontor schlägt.

  • V
    vic

    Nein, Thorsten Haupts,

    knapp 5 % weniger als zuvor, gilt in einem Abnickverein wie der CDU als "Ohrfeige"

     

    Lieber Bavi,

    der gesamte Südwesten ist mir peinlich, mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze, der mich stets an FJS erinnert. Selbe Statur, nur weniger intellektuell.

  • V
    vic

    "Schwarz-Grün erteilt sie eine klare Absage"

    Endlich macht sie mal was richtig!

  • J
    JoHnny

    wie geht das: lt. frau merkel gut in der sache und manchmal schlecht im stil!?... und dann immer bei dieser angeblich christlichen wertigkeit.

  • K
    kMfN

    Frau Judas lässt grüßen.

  • JR
    Jan Reyberg

    Steuersenkungen? Wäre ja auch noch schöner! Der angebliche Sparhaushalt 2010 weißt ja auch nur ein Rekorddefiit aus...

     

    Ok, das ist der zu großen Teilen der Wirtschaftskrise geschuldet. Ob das strukturelle Defizit das man den kommenden Generationen seit den 70ern zumutet nach dem Ende der letzten Konjunkturpakete und anderer Maßnahmen verschwunden ist muss sich erstmal zeigen...

     

    Das ist ja bei allem Hotelmurx und ähnlichem der Regierung zumindest noch zugute zu halten:

    Aus der Mottenkist:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,593026,00.html

  • TH
    Thorsten Haupts

    "Nur" 90% sind ein passables Ergebnis??? Aha. Frage: Ist die Politik so verrückt oder sind es die Journalisten?

  • B
    Bavi

    Liebe Landsleute ich möchte mich bei ihnen entschuldigen für die ungeheure Botschaft die aus meiner Kreisstadt Karlsruhe ausging.

    Die intellektuelle Paranoia hat die CDU Parteitag fest in griff.

    Zwischen reden und taten ist eine gewaltige Schlucht entstanden. Die Redner haben nicht nur die soziale Marktwirtschaft ausgenutzt, sonder auch das Bild von Jesus Christi und seine Botschaft missbraucht.

    Uns haben die schon ruiniert, aber wir müssen alles tun, um unseren Kinder von solchen Parteimitglieder zu schützen.