Papst erlaubt Kondome: Safer Sex für Stricher

Erstmals rückt Papst Benedikt XVI. in Einzelfällen vom Kondomverbot ab, etwa für männliche Prostituierte. Sie wären "ein erster Schritt hin zu einer menschlicheren Sexualität".

Der Papst empfiehlt: Enthaltsamkeit, Treue – und Kondom. Letzteres allerdings nur als "Ausweichmöglichkeit". Bild: dpa

BERLIN taz | Revolutionäre Töne aus dem Vatikan: Papst Benedikt XVI. bricht mit dem bisherigen totalen Präservativtabu und sieht wenigstens in Einzelfällen den Gebrauch von Kondomen als moralisch gerechtfertigt an. Dies jedenfalls ist die Position, die er in dem Interviewbuch "Das Licht der Welt" bezieht.

Am Wochenende wurden zentrale Passagen des von dem deutschen Journalisten Peter Seewald mit Ratzinger geführten Interviews bekannt; so veröffentlichte der Osservatore Romano am Sonntag Auszüge aus dem Werk, das in 18 Sprachen gleichzeitig auf den Markt kommen wird.

Schritt der Moralisierung

Zum Präservativ heißt es dort einigermaßen verschwurbelt, in der Sache aber deutlich, dass es "einzelne begründete Ausnahmen" geben könne: "zum Beispiel wenn ein Prostituierter ein Kondom benutzt". Dies könne "ein erster Schritt der Moralisierung sein, ein erster Akt der Verantwortlichkeit, um von Neuem das Bewusstsein für die Tatsache zu entwickeln, dass nicht alles erlaubt ist und man nicht all das tun kann, was man will".

Zugleich stellt der Papst pflichtgemäß klar, Präservative seien nicht "die wahre Weise, um die HIV-Infektion zu verhindern"; dafür nämlich sei weiterhin "eine Humanisierung der Sexualität nötig". Dennoch argumentiert Ratzinger diesmal ganz anders als noch im März 2009 bei seinem Afrikabesuch. Damals hatte er schon auf der Hinreise mit einer Stellungnahme für Unverständnis und Empörung gesorgt.

"Man kann das Aidsproblem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln", hatte Benedikt damals erklärt. "Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem", behauptete er, Rettung verspreche allein ein "spirituelles und menschliches Erwachen" sowie die "Freundschaft für die Leidenden". Ganz anders klingt die neue Position, in der ausgerechnet das von der Katholischen Kirche als Symbol sexueller Verantwortungslosigkeit verdammt Präservativ zum Instrument einer verantwortlicheren Sexualität ernannt wird.

"ABC-Methode"

Natürlich stellt Ratzinger weiterhin klar, dass die von Papst Paul VI. verfasste Enzyklika "Humanae vitae" von 1968 weiterhin gültig bleibt. Dort wurde jede Form der Empfängnisverhütung verdammt. Doch der Chefredakteur des Osservatore Romano, Giovanni Maria Vian, sieht eine klare Hinwendung zur in Uganda schon praktizierten "ABC-Methode": Abstinence, be faithful, condom (Enthaltsamkeit, Treue, Kondom), während der Vatikan bisher nur A und B predigte.

Ansonsten lässt der Papst die Kirche im Dorf. Die Burka findet er in Ordnung, wenn sie freiwillig getragen wird, seinen umstrittenen Vorgänger Pius II. feiert er als "Gerechten", der vielen Juden das Leben gerettet habe, Frauen im Priesteramt kann er sich gar nicht vorstellen, "nicht weil wir nicht wollten, sondern weil wir nicht können", ohne dem Herrn zu missfallen. Berechenbar bleibt der Heilige Vater in seinem Freizeitverhalten. Wenn sich entspannen will, schaut er - "Don Camillo und Peppone".

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