Klimagipfel in Cancún: Hoffen auf besseres Klima

Ein Jahr nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen sollen in Cancún die Verhandlungen vorangehen. Aber kann es kleine Fortschritte ohne große Sprünge geben?

Bergen eine Flaschenpost mit eindeutiger Botschaft: Klimaaktivisten in Cancun. Bild: reuters

Die neue Chefin hatte erst mal eine gute Nachricht. Was wird in Cancún anders sein als in Kopenhagen vor einem Jahr? "Das Wetter", sagte Christiana Figueres, die neue Leiterin der UN-Klimabehörde UNFCCC. Im feuchtwarmen Badeort an der mexikanischen Karibikküste sieht sie auch ein besseres Verhandlungsklima als noch in Kopenhagen. Sie sagt: "Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es einen Deal geben kann."

Für ihren Job ist grenzenloser Optimismus eine Grundvoraussetzung. Denn auch ein Jahr nach dem gescheiterten Gipfel der Staatschefs in Kopenhagen können sich die Bremser und Blockierer durchaus wieder durchsetzen. Immer noch ist der US-Kongress nicht bereit, sich ernsthaft über Klimaschutz Gedanken zu machen.

Immer noch weisen Schwellenländer wie Indien und China jede internationale Verpflichtung dazu empört zurück. Immer noch ist die EU unsicher, mit welchem Ziel und welchen Verbündeten sie beim Klimaschutz vorangehen soll. Immer noch ist kein rechtlich bindendes Abkommen unterschrieben. Und immer noch schreitet der Klimawandel voran.

Doch Christiana Figueres ist auch Realistin. Es gebe die Chance auf Einigung in Detailfragen, aus denen später ein Abkommen werden könnte, sagte sie. Und diese Sicht teilen viele Experten und Verhandler, die nach Mexiko fliegen. Denn unterhalb eines großen Deals, wie er in Kopenhagen mit aller Macht erzielt werden sollte, gibt es viele Felder, auf denen man sich einig ist: der Schutz des Regenwalds, die Finanzierung von Anpassung an den Klimawandel in den armen Ländern, der bessere Zugang der Schwellenländer zu Öko-Techniken oder ein "grüner Fonds", in dem die Industrieländer ab sofort 10 Milliarden Dollar jährlich (und im Jahr 2020 etwa 100 Milliarden Dollar) zur Verfügung stellen. Deshalb ist auch eine zentrale Frage von Cancún: Ist nichts entschieden, ehe alles entschieden ist? Oder kann es kleine Fortschritte ohne große Sprünge geben?

Seit Kopenhagen habe sich viel getan, sagen Beobachter und Unterhändler. Zum Beispiel ist die Front der Entwicklungsländer (G 77 und China) aufgeweicht. Die Inselstaaten (Aosis) widersprechen inzwischen der Geopolitik aus Peking oder Delhi, die effektiven Klimaschutz verzögert und die Existenz der Inselstaaten aufs Spiel setzt. Ähnlich formiert sich eine Gruppe von "besonders anfälligen Bergregionen", die unter der Gletscherschmelze leiden.

Der Gipfel: Vom 29. November bis zum 10. Dezember treffen sich Vertreter von 194 Staaten zur 16. UN-Klimakonferenz im mexikanischen Badeort Cancún.

Die Inhalte: Einige Maßnahmen sind weitgehend unumstritten: die Errichtung eines "grünen Fonds", in den die Industrieländer 100 Milliarden Dollar jährlich einzahlen sollen, Hilfe für die Anpassung an den Klimawandel, besserer Zugang zu Öko-Technik für die armen Länder, die Rettung der Regenwälder. Weiterhin strittig sind die zentralen Punkte eines Klimaabkommens: Wie schnell und wie drastisch reduzieren die Industrieländer ihre Emissionen? Wann folgen die Schwellenländer? Und wie soll das rechtlich aussehen - Kioto II oder ein neuer Vertrag?

Aber auch die anderen Blöcke bröckeln. In der neuen "Cartagena-Gruppe" hat sich eine "Koalition der Willigen" zusammengefunden, eine Allianz von 27 Entwicklungs- und Industriestaaten, die beim Klimaschutz vorangehen wollen. Dazu gehören unter anderem Mexiko, Kolumbien, die Malediven, Indonesien, Bangladesch, Deutschland und die EU.

Neu ist auch die Kooperation der Basic-Allianz: Brasilien, Südafrika, Indien und China haben gemerkt, dass Bremsen nicht ausreicht. Sie stimmen sich jetzt eng ab und wollen nach ihrem Machtgewinn bei den G 20, dem IWF und im UN-Sicherheitsrat nun auch internationale (Klima-)Politik machen.

Gegen die Basic geht nichts, aber mit ihnen kann viel gehen, sagt der brasilianische Politologe Sergio Abranches. Die Schwellenländer seien realistischer als von außen wahrgenommen: Allen sei klar, dass die Industriestaaten nicht immer die Schuldigen bleiben könnten und dass auch die Schwellenländer irgendwann ihre Emissionen reduzieren müssten. "Alle wissen, dass die alten Forderungen leere Phrasen geworden sind", schreibt Abranches, "sehr bald werden die Basic-Staaten echte Zahlen auf den Tisch legen müssen."

Ein weiteres positives Zeichen: In den einzelnen Ländern bewegt sich relativ viel. Die EU diskutiert, ob sie ihre Emissionen bis 2020 nicht nur um 20, sondern um 30 Prozent reduzieren soll. Brasilien macht offenbar Ernst mit den Schutz des Amazonas-Regenwalds. Südafrika will mit deutscher Hilfe seinen Anteil erneuerbarer Energien von 1 auf 20 Prozent ausbauen. Und China wird im Frühjahr in seinem neuen Fünfjahresplan den Ausbau von Energieeffizienz und Erneuerbaren vorantreiben und denkt über einen Emissionshandel nach. Selbst in den USA soll die Umweltbehörde EPA jetzt die Treibhausgase regulieren.

Schließlich drängt die Zeit. Die Internationale Energieagentur in Paris (IEA) hat gerade vorgerechnet, allein die Verzögerung seit Kopenhagen verteure die Maßnahmen zum Klimaschutz weltweit um 1 Billion Dollar. Auch ihre politischen Ambitionen drängen die Schwellenländer zum Handeln: Mexiko als Gastgeber will einen Erfolg von Cancún; der nächste Gastgeber der Klimakonferenz (2011) ist Südafrika.

Und 2012 steht in Rio de Janeiro der UN-Gipfel "20 Jahre nach Rio 1992" an, wo Brasilien Erfolge in der Umwelt- und Entwicklungspolitik verkünden will. Und bei den Vereinten Nationen ist das Klimathema inzwischen bis in den Sicherheitsrat gelangt. Nicht zuletzt die Stimmen der Aosis-Länder haben im September Deutschland in dieses Gremium gewählt. Dort wollen die Deutschen Klima als Sicherheitsthema diskutieren - unterstützt von Kolumbien und allen vier Basic-Staaten.

Schließlich kommt auch leise Hoffnung aus dem japanischen Nagoya. Im Oktober endete dort die UN-Konferenz zur Artenvielfalt mit einem überraschend erfolgreichen Kompromiss zwischen Nord- und Südstaaten. Japan vermittelte geschickt, Brasilien koordinierte konstruktiv die Politik der Entwicklungsländer, heißt es anerkennend bei europäischen Diplomaten. Ein gutes Omen für die Klimagespräche, findet Daniel Mittler von Greenpeace International: "Ein wichtiges Signal von Nagoya war doch, dass sich die Staaten überhaupt noch einigen können."

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