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Archiv-Artikel

Nicht ohne Alk

Wir müssen über Alkohol reden. Der mag eine Geisel der Menschheit sein, ist andererseits aber für einige ziemlich schöne Momente verantwortlich, auch gerade musikalische. Bei Der singende Tresen offenbart sich das bereits im Namen. Bei Diving For Sunken Treasure muss man immerhin hinhören, wenn auch nicht allzu lange, um zu erkennen: Ohne Alk geht auf „Motherfucker Jazz Bar“ gar nichts.

Wie, wenn nicht durch Whiskey-Missbrauch, sollte der Sänger sonst zu diesem Reibeisen von Stimme gekommen sein? Wo, wenn nicht in einer Hafenspelunke, sollte die Band sonst diese mitreißenden Grölgesänge aufgeschnappt haben? Und wo, wenn nicht unter dem Tisch, unter den man sich einst fröhlich gesoffen hat, sollte eine Band überhaupt auf die Idee gekommen sein, Rockabilly, Shantys, Balkan Blues und Punkrock verschmelzen zu wollen – und das Ganze ausgerechnet mit akustischen Gitarren? Auch das Publikum hat haufenweise Bier im Blut nötig, wenn Diving For Sunken Treasure loslegen: Denn so mitreißend sind Hoppel-Rhythmus und Mitsingmelodien, dass der Flüssigkeitshaushalt beständig ausgeglichen werden muss.

Härteren Stoff bevorzugen dagegen Der Singende Tresen auf ihrem vierten Album „Ernste Musik“. Sie fordern „Gebt mir Schnaps“, singen von Frauen, die einen „Drink zu viel“ hatten, oder vom „Kamarädlein“ aus dem Kosovo, das sich „die nächste Pille“ einschmeißt. Aber dass kein falscher Eindruck entsteht: Benebelt sind hier bestenfalls die Protagonisten der Songs. Die 2001 anlässlich des Erich-Mühsam-Festes gegründete Band selbst ist hellwach, wenn sie „die Summe der Befindlichkeiten in meinem Warenkorb“ analysiert, um festzustellen: „Mein proletarisches Bewusstsein scheint noch gut in Schuss zu sein.“

Geschickt hält das Quintett um Sängerin und Ukulele-Spielerin Manja Präkels die Balance zwischen Agitprop-Anwandlungen, Klamauk-Versuchen und satirischem Abstand. Der Tresen, an dem hier gesungen wird, steht in einer Kneipe, die von ehemaligen Hausbesetzern, aus der Zeit gefallenen Maoisten und neunmalklugen Schwachköpfen frequentiert wird. So ausgefeilt die Texte sind, so sperrig und widerständig klingt die Musik, die mal so tut, als sei Kabarett noch zeitgemäß, dann aber auch vor atonalen Ausbrüchen und – bei Bedarf – penetrantem Wohlklang nicht zurückschreckt. Guter Grund also, mal einen zu heben!

THOMAS WINKLER

■ Diving For Sunken Treasure: „Motherfucker Jazz Bar“ (Rookie Records/Cargo), Record Release am 22. 2. im Franken ■ Der Singende Tresen: „Ernste Musik“ (Setalight/Rough Trade), live am 23. 2. im Haus der Demokratie und Menschenrechte