Kommunen klagen angesichts leerer Kassen: "Demokratie in Gefahr!"

Kaputte Straßen, höhere Eintrittspreise: Die Kommunen klagen über ein Rekorddefizit. Die Folgen könnten die Bürger zu spüren bekommen.

Die Zukunft für manche Kommune sieht trist aus. Bild: photocase/knallgrau

BERLIN taz | Roland Schäfer klingt alarmiert. "Die lokale Demokratie ist gefährdet", meint der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds angesichts leerer Kassen der Kommunen. Gestaltungsraum gebe es kaum mehr. "Die Bürgermeister und Ratsmitglieder haben beinahe nichts mehr zu entscheiden", sagte Schäfer am Dienstag in Berlin.

Der kommunale Spitzenverband spart bei der Vorstellung seiner Jahresbilanz und dem Ausblick auf 2011 nicht an Superlativen. Die Kommunen befänden sich "in der schwersten Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik", heißt es. Für 2010 rechne man mit einem Rekorddefizit von elf Milliarden Euro, obwohl die Wirtschaft in Deutschland sich erholt.

Die Folgen der "chronischen Unterfinanzierung" könnten die Bürger zu spüren bekommen. Schlaglöcher würden nicht repariert, öffentliche Gebäude verfielen, die Eintrittspreise für Theater oder Schwimmbäder stiegen. Der Ausbau von Bildungsangeboten oder die Förderung der Integration könnten die Kommunen nicht mehr stemmen.

Schuld an der Finanzmisere seien besonders die steigenden Sozialausgaben, die im laufenden Jahr bei 41 Milliarden Euro lagen. Vor zehn Jahren waren es noch 26 Milliarden. Zwar sinkt die Zahl der Arbeitslosen, die Kommunen müssen aber immer mehr Geld etwa für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung, für Unterkunftskosten von Langzeitarbeitslosen oder die Grundsicherung im Alter ausgeben. "Dabei sind das gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Der Bund muss sich da stärker einbringen", so Schäfer.

Kein Geld für Kitas

Angesichts der Finanzprobleme sehen die Kommunen auch den Ausbau der Kleinkinderbetreuung gefährdet. "Ohne massive Hilfe der Länder können die Städte auch bei allergrößter Anstrengung den vollständigen Ausbau nicht bewältigen", sagte Stephan Arcticus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der Nachrichtenagentur dpa.

Ab 2013 haben Eltern von unter Dreijährigen einen Betreuungsanspruch. Bis dahin soll eine Betreuungsquote von 35 Prozent erreicht werden, derzeit liegt sie bei 23 Prozent. Nach Schätzungen des Städtetags müssten monatlich 8.000 bis 11.500 Plätze geschaffen werden, was Investitionen von 6 bis 9 Milliarden Euro bedeute.

Neben der Entlastung bei den Sozialausgaben und der Unterstützung beim Ausbau der Kinderbetreuung fordern die Kommunen, die Gewerbesteuer als ihre wichtigste Einnahmequelle unangetastet zu lassen. "Auch wenn die FDP die Abschaffung fordert, die 28 Milliarden Euro Einnahmen sind nicht zu ersetzen", berichtete Roland Schäfer. Durch Einbeziehung von Selbstständigen solle die Steuer stabilisiert werden.

Für die Liberalen ein Horrorszenario. "Die Gewerbesteuer ist schwankungsanfällig, wir brauchen aber stabile Einnahmen auf kommunaler Ebene", sagte Birgit Reinemund, kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, der taz. Über einen höheren Anteil für die Kommunen an der Umsatzsteuer und der Einkommen- und Körperschaftsteuer könne das derzeitige Modell ersetzt werden.

Über eine Neuordnung der Gemeindefinanzierung berät seit März dieses Jahres die Gemeindefinanzkommission, in der Vertreter aus Bund, Ländern und Kommunen sitzen. Dabei scheint der FDP-Vorschlag zur Abschaffung der Gewerbesteuer aus der Diskussion zu sein. Das Finanzministerium verwies darüber hinaus auf die laufenden Verhandlungen. "Klar ist aber, dass gegen den Willen der Kommunen nichts passieren wird", sagte eine Sprecherin.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte jüngst Bereitschaft, die Kommunen bei den Sozialausgaben um jährlich knapp vier Milliarden Euro zu entlasten. Was er dafür als Gegenleistung erwartet, ist noch unklar.

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