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Archiv-Artikel

Lebensgewohnheiten ändern

betr. „Triumph der Klimakiller“, taz vom 18. 11. 05

Endlich wird deutlich ausgesprochen, was viele Wissenschaftler längst wissen: Die Klimaschutzpolitik hat versagt. Es ist rätselhaft, wieso in Deutschland angesichts der gewaltigen Herausforderungen des Klimawandels und dem Problem der Arbeitslosigkeit nicht ein wesentlicher Schlüssel gesehen wird, um beiden Problemen zu begegnen. Die Industrie selbst, wie zum Beispiel Solar oder Shell Solar, sieht ein enormes Arbeitsplatzpotenzial im Bereich erneuerbarer Energien. Für die Chinesen war es bei ihrem Besuch vor wenigen Tagen ein Diskussionspunkt hoher Priorität, sich Beratung in Energiefragen zu holen. Die Chinesen haben bereits unser Erneuerbares Energien-Gesetz „importiert“.

Warum handeln wir nicht entsprechend? Die Versorgung mit erneuerbaren Energien stellt das Gegenteil der Versorgung mit Atom- und fossiler Energie dar: dezentral, flexibel und innovationsfördernd. Gerade wegen des Klimawandels muss daher so schnell wie möglich aus der Atomenergie ausgestiegen werden, da diese durch die Bindung von Geldern die Entwicklung von Innovationen verhindert! Im Übrigen: Nicht nur aufgrund einer entsprechenden Schlussfolgerung bezüglich der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch aufgrund von Statistiken westlicher Länder weiß man heute, dass hohe Energiepreise eine Volkswirtschaft reicher und nicht ärmer machen. Hohe Preise geben nämlich die richtigen Signale zur Entwicklung und Produktion innovativer Produkte (in diesem Fall effizienter, also umweltfreundlicher) – was sich günstig auf die Volkswirtschaft und nicht zuletzt auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

JENS ALBRECHT, Berlin

betr.: „Nur scheinbar paradox“, taz vom 18. 11. 05

Nick Reimer behauptet, Vattenfall habe den Bau eines fossilen Kraftwerks beschlossen, das dem Klima nicht schade. Tatsächlich plant die Firma Vattenfall den Bau von zwei neuen Braunkohlekraftwerkblöcken, um das Klima noch stärker zu erwärmen und noch mehr Landschaft zu verbrennen, sowie einer kleinen Pilotanlage zur CO2-Sequestrierung. Dort soll das Kohlendioxid im Schornstein aufgefangen und einer unterirdischen Endlagerung zugeführt werden. Das wird niemals hundertprozentig gelingen – und falls die Welt wirklich in diese Technik einstiege, wären alle halbwegs brauchbaren unterirdischen Endlager in einigen Jahrzehnten voll.

BERND FRIEBOESE, Berlin

Seit mehr als zwei Jahrzehnten wurden weltweit zig Millionen Euro und Dollar ausgegeben, um die Ursachen und die Auswirkungen von Klimaveränderungen in der Vergangenheit, der Gegenwart und für die Zukunft zu ermitteln. Diese Ausgaben haben dazu geführt, dass viele tausend Arbeitsplätze in der Klimaforschung gesichert, einige kleine technologische und große (Kioto-)protokollarische Verbesserungen zum Klimaschutz erreicht wurden. Es wäre eine Überraschung, wenn auf der bevorstehenden Klimakonferenz in Montreal das CO2- Problem als eine logische Folge der globalen Wachstumswirtschaft anerkannt wird. Aber das steht dort nicht zur Debatte

Selbst wenn das geschähe und alle Industrienationen, einschließlich der darin lebenden Individuen, sich unverzüglich von der „Genug ist nie genug“-Mentalität verabschiedeten und damit begönnen, die CO2- Emittenten in Industrie und Verkehr auf den bereits vorhandenen Stand der Technik umzurüsten, würde das Jahrzehnte dauern. Dieser Wachstumsschub erhielte ohne Zweifel den Stempel eines sinnvollen, qualitativen oder nachhaltigen Wachstums. Dass dafür allerdings auch enorme CO2 freisetzende Energie- und Rohstoffumwandlungsprozesse erforderlich wären, kann niemand ernsthaft bezweifeln. Und weil das so ist, könnte das Klimaproblem nur dadurch gelöst werden, dass diese Maßnahmen parallel von tief greifenden Veränderungen der Lebensgewohnheiten der Menschen in den Industrienationen begleitet würden. Das klingt fatalistisch, ist es aber nicht. Fatalistisch ist es, diese Fakten nicht anzuerkennen, weil sie 1. unbequem sind, 2. unsere gegenwärtige Lebens- und Wirtschaftsweise in Frage stellen, und 3. – hier liegt das Kernproblem – wir nicht einmal einen theoretischen Ansatz für eine nicht am Wachstum orientierten Wirtschaftsweise entwickelt haben.

DIETER DRABINIOK, Saarbrücken