THEATER: Der Kampf des Gleichen und dergleichen

Obwohl sie das Schauspielhaus in eindrucksvoll lastende Schwüle hüllt, und trotz guter und bester Ideen scheitert Corinna Sommerhäusers Inszenierung von Koltès "Kampf des Negers und der Hunde" - an der Besetzung.

Draußen watet, im grellen Gegenlicht kaum erkennbar, Martin Baum durchs Wasser. Bild: Landsberg/Bremer Theater

Das Stück "spricht nicht von Afrika und den Schwarzen", hat Bernard-Marie Koltès im Vorwort von "Kampf des Negers und der Hunde" geschrieben, das Freitag in Bremen Premiere feierte. Stattdessen ist das Werk ein bürgerliches Kammerspiel in einer weißen Enklave auf dem schwarzen Kontinent, genauer: "auf einer Baustelle in einem Land West-Afrikas". Eine riesige weiße Brücke auf rotem Sand hätte hier entstehen sollen. Fertig ist sie nicht geworden. Bald wird die Baustelle aufgegeben. Ein sprechender Ort.

Afrika ist im Schauspielhaus eine lastende Schwüle. Die Bühne hat Thomas Schunck in einen See verwandelt, dessen Dunst sich feucht auf die Haut legt - spürbare Tropen. Auf dem Trockenen am rechten Bühnenrand kauert apathisch Baustellen-Chef Horn (Siegfried W. Maschek). Inmitten des nebligen Sees ragt, über Holzbohlen erreichbar, ein Bungalow mit Glasfront, wie ein Zoo-Gehege. Drinnen hockt Léone (Eva Gosciejewicz), die frisch aus Paris eingetroffene Braut Horns, dem vor Jahren das Gemächt weggeschossen wurde. Sie faltet planlos Kleider. Später wird sie zielgerichtet töten. Draußen watet, im grellen Gegenlicht kaum erkennbar, Martin Baum durchs Wasser. Ächzend zerrt er einen Müllsack hinter sich her, aus dem Füße ragen. Den wird er versenken.

Das ist keine im Text ausgeführte, ihn aber motivierende Szene: Martin Baum spielt den rassistischen Ingenieur Cal. Er hat einen schwarzen Arbeiter erschossen. Nun versteckt er die Leiche in der Latrine: Da werde ihn ja niemand suchen. Böser Irrtum: Er selbst wird später dort nach ihm tauchen, Befehl von Horn. Weil Alboury, Bruder des Opfers, den Körper eingefordert hat. Solange sie den Leichnam nicht hat, ziehe die Mutter durchs Dorf und schreit, die ganze Nacht. "Keiner kann schlafen", erklärt Alboury. "Deshalb bin ich da."

Bernard-Marie Koltès "Kampf des Negers und der Hunde" zeigt das Bremer Theater noch am 31. März, am 2., 7., 15. und 30. April sowie am 15. Mai, jeweils um 20 Uhr im Neuen Schauspielhaus.

Alboury Ndiaye war, Ende des 19. Jahrhunderts, einer der letzten westafrikanischen Könige, der den Kolonialherren Widerstand leistete. Im Stück ist Alboury, der Schwarze, ein Eindringling in die Baustellenwelt der Weißen. Seine Forderung ist klein. Sie ist verständlich. Sie ist unerfüllbar: Corinna Sommerhäuser lässt daran keinen Zweifel. Alboury nämlich entsteigt in ihrer Regie dem versenkten Plastiksack. Die Leiche, die er einfordert, ist er selbst.

Alles gut also - nur: Alboury ist Timo Lampka. Und den Alboury kann der nicht spielen: Alboury von einem Weißen spielen zu lassen, ist laut Koltès so "absurd", dass ers nie ausdrücklich verboten hätte, hätte ihn nicht die Praxis eines schlechteren belehrt. Dann hat ers klar gestellt, unmissverständlich. Für Alboury gilt: Ein afrikanischer Schauspielschüler, ja, ein Laiendarsteller, alles denkbar - nur kein Weißer. "Besser, mein Stück würde gar nicht gespielt", schreibt er, "als Alboury von einem nicht-schwarzen Schauspieler."

Mit Grund. Denn "Kampf des Negers" lebt vom Zitat der rassistischen Konstruktion. Es muss sie so weit reproduzieren, dass sich ihre Unentrinnbarkeit und ihr sumpfiges Aufblühen darstellen, so weit, dass die aus ihr entstehenden Widersprüche unmittelbar zur Katastrophe führen. Da ist Horn, der mit Geld und Whisky das nagend-legitime Fordern Albourys betäuben will. Da ist Cal, der ihn und alle Schwarzen für minderwertig hält, und hündisch die Witterung von Boubou aufnimmt, um ihn abzuknallen. Léone schließlich träumt sich in hysterischem Exotismus schwarz, malt sich hier sogar schwarz an, setzt Horn mit Alboury Hörner auf.

Das Begehren der Figuren entspringt ihrer Konfrontation mit der Traum- und Angstfigur des Anderen, nicht der Begegnung mit dem Gleichen. Als Gestalt ist der Andere der, den die Weißen zum Neger gemacht haben. Wer diese Differenz einebnet, scheitert am Stück, selbst mit guten und sogar mit besten Ideen. Nur folgerichtig wird Léone in Sommerhäusers Regie alle drei Männer töten, völlig wahllos und ganz ohne Unterschied.

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