„Wir haben heute Morgen telefoniert“

BERUFSVERBOT Filmen, ohne dabei gesehen zu werden. Jafar Panahis Koregisseur Kamboziya Partovi über den Film „Pardé“, der die Zensur im Iran austrickste und so auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet werden konnte

■ geb. 1955, iranischer Filmregisseur. Sein Film „Café Transit“ wurde 2007 in der Kategorie bester ausländischer Film für den Oscar nominiert. Er schrieb auch das Drehbuch für Jafar Panahis preisgekrönten Film „Der Kreis“.

■ Sein Kollege und Freund Jafar Panahi wurde im Iran 2010 zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt, die Haftstrafe wurde ausgesetzt. Dem Urteil zum Trotz drehten Panahi und Partovi nun zusammen heimlich den Film „Pardé“ („Closed Curtain“), den die 63. Berlinale jetzt im Wettbewerb zeigte.

■ „Pardé“ ist eine komplexe Meditation über eine Situation, die das Persönliche und das Politische in nicht eindeutig aufzuschlüsselnden Bildern verbindet. Während Panahi den Iran nicht verlassen darf, konnte Partovi den Film letzte Woche in Berlin präsentieren. Was nun die Sittenwächter im Iran auf den Plan rief, die neue Verfahren gegen die Regisseure eröffneten.

■ Rezension unter: www.taz.de/parde

INTERVIEW EKKEHARD KNÖRER

sonntaz: Herr Partovi, in Jafar Panahis letztem Film mit dem ironischen Titel „Dies ist kein Film“, der vor zwei Jahren aus dem Land geschmuggelt und in Cannes gezeigt wurde, gab es einen Abspann, in dem aber keine Namen genannt wurden. Unter dem „Dank an“ standen nur einige Zeilen, die einzig aus drei Punkten bestanden. Bei „Pardé“ ist das ganz anders. Alle oder fast alle Beteiligten sind oder scheinen namentlich genannt. Wie ist das zu deuten: Hat sich die Gefährdungslage im Iran geändert – oder nur die Haltung der Beteiligten zu ihrer Situation?

Kamboziya Partovi: An diesen Abspann kann ich mich gar nicht erinnern. Allerdings war es bei „Dies ist kein Film“ ja so, dass er tatsächlich im allerengsten Kreis entstand. Da hätte es – außer dem Koregisseur Mojtaba Mirtahmasb, der aber auch ganz offen als Koregisseur auftrat – gar nicht viele Beteiligte zu nennen gegeben. Das war diesmal deutlich anders. Natürlich gab es den einen oder anderen, der ein wenig besorgt war, dass sein Name genannt werden könnte. Aber alle, auch die, denen nicht ganz wohl dabei war, haben bis zum Schluss mit Herzblut an diesem Film mitgearbeitet – und wollten dann vielleicht nicht, dass ihr Name im Abspann erscheint. Aber die meisten hatten kein Problem damit. Und schließlich haben sie für dieses Projekt etwas geleistet – warum sollten sie nicht erwähnt werden?

Weil sie an einem Verstoß gegen das 2010 im Iran verhängte Berufsverbot gegen Jafar Panahi mitgewirkt haben und Repressalien des Regimes zu befürchten haben?

Da haben Sie recht. Wir haben die Leute darum auch einzeln gefragt. Viele haben wie selbstverständlich zurückgefragt: Warum soll mein Name denn nicht im Abspann stehen? Es hat sicher auch damit zu tun, dass der Film nicht offensiv politisch auftritt. Dann wäre die Gefahr von Repressalien sicher sehr viel größer. Der Blick des Films ist mehr nach innen als nach außen gerichtet: Herr Panahi reflektiert über seine Situation, aber er tut es, indem er seine Gefühle und seine Gedanken, auch seine Verzweiflung zum Gegenstand macht. Das ist seine Reaktion auf das Berufsverbot, das für ihn ein existenzieller Eingriff ist: Es ging ihm darum, einen Ausdruck für seine innere Welt zu finden. So kann er seinen Beruf, der seine Passion ist, weiter ausüben, und zwar, indem er in Form eines Films über die Situation, in die das Verbot ihn versetzt hat, reflektiert. Und für mich war es ohnehin selbstverständlich, dass ich dabei bin, wenn ein Freund mich um die Mitarbeit bittet.

Sie arbeiten, wenn ich recht sehe, schon lange zusammen?

Ja, unsere Bekanntschaft, unsere Freundschaft ist sehr eng und geht weit, mehr als zwanzig Jahre zurück. Bei meinem ersten Film, „Golnar“ von 1988, war er schon beteiligt, bei meinem zweiten Film war er der Assistent. Zu „Der Kreis“ habe ich das Buch geschrieben, bei meinem Film „Café Transit“ hat er den Schnitt gemacht. Ich habe auch zwei Drehbücher für ihn geschrieben, die er bisher aus den bekannten Gründen nicht realisieren konnte. Und dass ich in „Pardé“ jetzt selbst mitspiele, war gar nicht geplant. Wir haben eine Weile gesucht, aber niemanden gefunden, der uns für die Rolle des Autors passend schien – da habe ich einfach vorgeschlagen, selbst diesen Part zu übernehmen.

Nun ist es natürlich ein Triumph, dass der Film hier vor den Augen der Weltöffentlichkeit im Wettbewerb der 63. Berlinale zu sehen war. Im eigenen Land aber, das Herr Panahi anders als Abbas Kiarostami oder Mohsen Makhmalbaf ausdrücklich auch gar nicht verlassen will, bleibt er aber völlig unsichtbar. Oder ist damit zu rechnen, dass er, zum Beispiel in Form von Raubkopien, doch sein Publikum finden wird? Wie ist das mit dem Vorgänger „Dies ist kein Film“?

Ich weiß das nicht genau. Dank des unglücklicherweise – oder in dem Fall vielleicht glücklicherweise – wenig ausgeprägten Urheberschutzes im Iran ist das aber sehr wahrscheinlich. So hat sich etwa auch Bahman Ghobadis Film „No one Knows About Persian Cats“ weit verbreitet, obwohl er verboten war. Übrigens gab es sehr wohl eine Aufführung von „Dies ist kein Film“ in Teheran. Ein Verband von Regisseuren hatte Herrn Panahi darum gebeten, den Film zu zeigen. Er wurde dann, natürlich nicht öffentlich, in einem cineastischen Forum vorgeführt.

„Pardé“ unterscheidet sich sehr stark von den Filmen, die Jafar Panahi seinen Ruf als einer der großen Regisseure des Weltkinos eingebracht haben, von „Der Kreis“ bis „Offside“, der 2006 zuletzt im Wettbewerb der Berlinale lief. Panahis Filme waren immer sehr stark realistisch orientiert, sie schilderten das Land, die Menschen und ihre Probleme, ohne die selbstreflexive, mitunter allegorische Dimension, die es bei Abbas Kiarostami, aber auch vielen anderen iranischen Regisseuren gibt.

Das ist eine richtige Beschreibung. Bisher haben sich Herrn Panahis Filme vor allem mit der Gesellschaft, dem sozialen Umfeld, mit dem Leben anderer Menschen beschäftigt. Bei „Pardé“ ist das auf jeden Fall anders, muss es auch anders sein. Allerdings war es uns wichtig, diesen Realismus nicht von vornherein dranzugeben. Wenn Sie Acht geben, sehen Sie, dass der Film zunächst auf sehr realistische Weise beginnt. Langsam, Stück für Stück, merken wir, dass es in eine andere Richtung geht. Selbst da bleibt aber oft mit Absicht unklar, ob das, was wir sehen, in der Realität spielt oder doch etwas Fantastisches, Imaginäres ist. Ich möchte das an der weiblichen Figur erklären: Sie tritt auf, verschwindet, kehrt wieder, sie bewegt sich an der Grenze zwischen Realem und Imaginiertem und lässt diese Grenze dadurch verschwimmen. Mit dem Auftritt von Herrn Panahi wird dann aber sehr deutlich, dass das, was man hier zunächst als Reales erlebt, vor allem einen Einblick in die Welt, in das Innenleben des Filmemachers selbst gibt.

„Dass ich in dem Film ‚Pardé‘ selbst mitspiele, war gar nicht geplant“

KAMBOZIYA PARTOVI

Hatte Herr Panahi die Möglichkeit, die Reaktionen auf „Pardé“ während der Berlinale zu verfolgen? Sind Sie in Kontakt?

Ja, wir haben heute Morgen telefoniert und er unternimmt alles, zu erfahren, wie der Film hier aufgenommen wird. Er ist sehr aufgewühlt und freut sich über die große Aufmerksamkeit, die sein Schicksal, aber auch sein Film hier bekommt.

Herr Partovi, wir danken für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Herrn Panahi für die Zukunft alles Gute.

Vielen Dank.