Buch über die Generation Facebook: Die effektvolle Scheißegal-Revolution

Klaus Raab gibt der jungen Internetgeneration eine Stimme - zur Verteidigung gegen alte Besserwisser und Tugendwahrer. Denn: Nicht schlechter, bloß anders ist Rebellion heute.

Hallooo, wir sind schon alle online - kommt doch auch! Bild: screenshot

Analog, digital, scheißegal", schreibt der Journalist Klaus Raab an einer Stelle seines Buchs "Wir sind online - wo seid ihr?". Das mag erstaunlich wirken, wenn auf der Umschlagklappe von "digitaler Revolution" die Rede ist. Wenn es "scheißegal" ist, ob analog oder digital, kann es mit der Revolution ja nicht weit her sein.

Doch Klaus Raab meint etwas anderes: Das meiste dessen, was Kritik am Internet hervorruft, wurde schon immer getan, ob mit oder ohne Internet - kein Grund zur Aufregung. Nicht "scheißegal" ist allerdings, was im Internet sonst noch so getan wird. Nämlich eine ganze Menge. Und das ist sehr wohl revolutionär.

Für Klaus Raab ist die Nutzung des Internets das bestimmende Charakteristikum seiner Generation, deren älteste Angehörige bis zu Mitte 30 sind. Er ist um die Abgrenzung und Verteidigung der "digitalen Generation" gegenüber der älteren bemüht - und erweist der Jugend damit einen Dienst. Wie oft wurde ihr Profillosigkeit vorgeworfen? Wie oft wurde mangelnde Rebellion beklagt?

Doch jung zu sein ist nicht einfach in einer Welt, in der jeder "jung geblieben" ist. Klaus Raab zeigt auf, dass Profil und Rebellion heute zwar nicht so offensichtlich sind wie früher, aber dennoch existent.

Mit rotem Irokesenschnitt lassen sich in der Regel keine neuen Haltungen mehr signalisieren. Profil und Rebellion der Jugend liegen heute in ihrem Umgang mit dem Internet. Sicherstes Indiz dafür ist das Unverständnis und Befremden, mit dem Ältere den "Digitalen" in dieser Hinsicht begegnen. "Killerspiele" sind nur ein Beispiel.

Sobald es um das Internet geht, zeigt sich eine Haltung, mit der bisher noch jeder Jugendrebellion begegnet wurde: Die Angst vor der Aufweichung längst gefundener Werte und Tugenden, die man selbst einmal formuliert hatte - als man noch jung war und rebellierte.

Im Fall des Internets, wie Klaus Raab deutlich macht, sind diese Umbrüche vielfältig - und er empfindet sie durchweg als Fortschritt. Alte Autoritäten werden ihrer Autorität beraubt, Macht wird von oben nach unten umverteilt, die Möglichkeiten zum politischen Engagement werden vervielfältigt, die Vernetzung des Wissens, das Teilen von Gedanken und Werken, eröffnet neue Möglichkeiten. Klaus Raab hält ein Plädoyer für das Internet, für Demokratisierung, Partizipation und Individualisierung.

Charmant, in unterhaltsamer und zuweilen witziger Sprache entkräftet er die beliebteste Kritik am Internet und seinen Nutzern. Das Web entfremdet von der "echten" Welt? Quatsch, das tun Massenmedien wie das Fernsehen mit ihrer Selektion viel stärker. Der ganze "Kommunikationsmüll" ist doch gar nicht zu bewältigen?

Muss ja auch nicht zu bewältigen sein, das Internet zwingt zu nichts, aber ermöglicht alles. Die Jugend achtet im Internet nicht mehr auf ihre Daten? Studien zeigen: Junge achten sorgfältiger auf den Schutz ihrer Daten als Alte. Die Argumentation Raabs genießt beim Leser ob ihres Pragmatismus und ihrer Unaufgeregtheit eine Glaubwürdigkeit, die eine ideologisch bornierte Wutrede nicht hätte.

Natürlich werden nicht alle Internet-Skeptiker überzeugt werden können. Doch zumindest werden sie eingeladen, sich selbst zu überzeugen. Der Titel des letzten Kapitels lautet nicht umsonst "Wir sind online, kommt doch auch!"

Klaus Raab: "Wir sind online. Wo seid ihr? Von wegen dummgesurft! Die unterschätzte Generation". Blanvalet Verlag, München 2011, 336 Seiten, 12,99 Euro

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.